Diözesanarchivarin Johanna Kößler über den langen Weg von der Bistumsgründung bis zur päpstlichen Erhebungsbulle 1722, wodurch der Bischof in Wien fortan ein Erzbischof wurde.
Diözesanarchivarin Johanna Kößler über den langen Weg von der Bistumsgründung bis zur päpstlichen Erhebungsbulle 1722, wodurch der Bischof in Wien fortan ein Erzbischof wurde.
"Sonntag"-Interview mit Diözesanarchivarin anlässlich 300 Jahre Erzbistum Wien. Tauziehen zwischen Babenbergern, Habsburgern, Papst und Bistümern Passau und Salzburg prägten Wiener Kirchengeschichte.
Die Geschichte der katholischen Kirche in Wien ist geprägt von einem jahrhundertelangen Tauziehen zwischen der weltlichen Macht erst der Babenberger, dann der Habsburger, sowie der geistlichen Macht des Papstes und der viel älteren Ortskirchen in Passau und Salzburg. Das geht aus einem Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" mit Diözesanarchivarin Johanna Kößler über den langen Weg von der Bistumsgründung bis zur päpstlichen Erhebungsbulle 1722, wodurch der Bischof in Wien fortan ein Erzbischof wurde. Eine hochkarätig besetzte Tagung hatte jüngst dieses 300-Jahr-Jubiläum beleuchtet.
Ursprünglich unterstand das Territorium der heutigen Erzdiözese dem 739 gegründeten Bistum Passau, einige Pfarren im Süden Niederösterreichs gehörten zur ähnlich alten Erzdiözese Salzburg. Schon früh gab es Bemühungen, ein Bistum einzurichten, ganz am Anfang sogar durch Passau selbst: Babenberger Leopold IV. übertrug 1137 das Gebiet des heutigen Stephansplatzes dem Bistum Passau, wies die Historikerin hin. Die hier 1147 dem heiligen Stephanus geweihte Pfarrkirche soll "angeblich bereits als Suffraganbistum (Teil einer Metropolie, Anm.) geplant gewesen sein". Kößler: "Passau wollte als Suffraganbistum von Salzburg unabhängig werden und hoffte auf einen entsprechenden Gewinn an Einfluss."
Unter Friedrich II. dem Streitbaren habe es einen Briefwechsel mit dem Papst gegeben, in dem Wien die Gründung einer eigenständigen Diözese zugesagt wurde. Durch den frühen Tod dieses letzten Babenbergers 1246 wurden diese Pläne jedoch vereitelt. Sichtbares Zeichen der Bistumspläne war der gotische Ausbau der Stephanskirche. Rudolf IV. "der Stifter" legte den Grundstein für den Südturm und schuf er den Rahmen für die Bistumserhebung mit der Gründung der Wiener Universität, erläuterte Kößler. Erneut verhinderte dies im Jahr 1365 der frühe Tod des Habsburgers.
Erst Kaiser Friedrich III. erreichte beim Papst die Gründung des Bistums Wien im Jahr 1469. Dieses war laut der Diözesanarchivarin kein reines Stadtbistum mehr, sondern verwaltete auch Pfarren in den Vorstädten und Vororten. "Der größte Teil des heutigen Niederösterreichs aber unterstand dem Bistum Passau. Wien war tatsächlich eine Enklave, ein Zwergbistum, inmitten eines der größten Territorialbistümer im Heiligen Römischen Reich." Rund sechs Siebtel des Passauer Territoriums lagen auf österreichischem Boden in Ober- und Niederösterreich. Nur südlich von Wiener Neustadt gab es ein größeres Gebiet, die sogenannte Pittener Mark, welche zum Erzbistum Salzburg gehörte.
Wien blieb ein Lokalbistum, bis von Ferdinand II. mit dem Kremsmünster Benediktiner Anton Wolfrath (reg. 1631-1639) der erste Fürstbischof eingesetzt wurde. Mit diesem Titel erhielt Wien Sitz und Mitspracherecht an den Reichstagen, das Domkapitel von St. Stephan habe bis zur Erhebung zum Erzbistum 1722 "eigenständig und nicht selten in Opposition zum Bischof" agiert, wies Kößler hin.
Mit dem Sieg über die Osmanen um 1700 entwickelte sich Wien zur barocken Haupt- und Residenzstadt des Habsburgerreiches mit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts 175.000 Bewohnern. Das kleine Bistum Wien sei damit in Rang und Größe der politischen Macht des Hauses Österreichs nicht mehr angemessen gewesen. Karl VI. urgierte beim Papst bereits 1717 eine Rangerhöhung des Bistums und argumentierte mit der Rolle Wiens als Festung gegen die Osmanen und damit, dass die meisten Hauptstädte auch Metropolien seien. Widerstand dagegen kam aus Passau und Salzburg, erinnerte Kößler an entsprechende Interventionen beim Papst.
Das Erzbistum Wien erhielt 1722 das Bistum Wiener Neustadt als Suffraganbistum unterstellt und wurde so um dieses Territorium erweitert. Einige Jahre später wurde es durch die Zuteilung von Passauer Pfarren und Vikariaten im Viertel Unter dem Wienerwald erneut vergrößert. Eine abermalige Änderung erfolgte im Zuge der durch Kaiser Joseph II. in den Jahren von 1782 bis 1786 durchgeführten Diözesanregulierung, die die kirchlichen Grenzen an die staatlichen anpassen sollte. In Ober- und Niederösterreich liegende Diözesangebiete des Bistums Passau wurden 1784 an Wien abgetreten. Die fünf Pfarren im Pittener Gebiet gelangten auf päpstliche Anordnung ebenfalls zu Wien. Das Erzbistum Wien erreichte somit seine heutige Ausdehnung.
Zum ausführlichen Interview: www.dersonntag.at/artikel/der-langsame-aufstieg-vom-bischof-zum-erzbischof