Der hl. Franz von Assisi empfängt die Wundmale.
Der hl. Franz von Assisi empfängt die Wundmale.
Der Guardian des Wiener Franziskanerklosters, P. Felix Gradl, über die Faszination der Ordens-Regel des Heiligen aus Assisi. Und warum die Franziskus-Regel ein echtes Kontrastprogramm für unsere Zeit darstellt.
des heiligen Franziskus
Höchster, glorreicher Gott,
erleuchte die Finsternis
meines Herzens
und schenke mir rechten Glauben,
gefestigte Hoffnung und
vollendete Liebe.
Gib mir, Herr,
das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen
und wahrhaften Auftrag erfülle.
Amen.
Gebet des heiligen Franziskus in San Damiano
P. Dr. Felix Gradl OFM ist Guardian (wörtlich „Hüter“) des Wiener Franziskanerklosters.
Unsere Ordensregel bildet die geistige Grundlage für das Leben in der Gemeinschaft. Wenngleich die Aufgaben der Brüder mitunter sehr verschieden sind, so richten sie sich in ihrer Struktur und Ausrichtung nach der Vorgabe der Ordensregel“, sagt der Franziskaner-Pater Felix Gradl zum SONNTAG.
Gradl ist Guardian, wörtlich „Hüter“ des Wiener Franziskanerklosters. Die Ordensregel geht auf Franz von Assisi selbst zurück. Er hat sie als Bearbeitung einer früher erstellten Regel verfasst.
Sie stellt „mit einem Umfang von zwölf Kapiteln die kürzeste Ordensregel der klassischen Orden dar“, erzählt Gradl.
Grundsätzlich gilt, dass die Brüder „den Geist des heiligen Gebetes und der Hingabe nicht auslöschen“ sollen. „Sie sollen wie Franziskus von ihrer Grundhaltung betende Menschen sein“, sagt Gradl: „Die Regel weist konkret auf das Stundengebet (Brevier) hin, zu dem die Brüder verpflichtet sind, wobei die Priester sich an das offizielle Stundengebet der römischen Kirche zu halten haben, die Nicht-Priester hingegen (die ja nicht Latein können) das Breviergebet durch eine bestimmte Anzahl von Vaterunser ersetzen sollen.“
Für den Alltag sieht die Regel vor, dass „jene Brüder, denen der Herr die Gnade zu arbeiten“ gegeben hat, „in Treue und Hingabe“ arbeiten sollen (Kap. 5). Gradl: „Franziskus weist auch darauf hin, dass die Brüder erst dann um Almosen betteln dürfen, wenn sie das Notwendige zum Leben nicht durch Arbeit erhalten können.“
Gradl hat die Gestalt des hl. Franziskus „über die Franziskaner kennengelernt, schon als Kind im Gymnasium in Hall in Tirol“. Es waren Franziskaner, die ihn „durch ihre selbstverständliche Einfachheit und unaufdringliche Zuwendung sehr beeindruckt hatten“. Das alles weckte in ihm die Neugier, sich mit Franziskus zu beschäftigen Gradl: „Seine Faszination wuchs mit der Intensität der Beschäftigung: Vor allem sind sein absolutes Nein zu jeder Art von Gewalt, seine Hinwendung zur Schöpfung und damit verbunden seine innige Liebe zum Schöpfer, dem Geber alles Guten, von einer bleibenden Faszination.“
Die Kernaussagen der Ordensregel für die Gemeinschaft laut Gradl: Die Brüder sollen sich als „mindere Brüder“ (fratres minores) bezeichnen und als solche leben. Diese Bezeichnung hat Franz von Assisi gewählt als Gegensatz zu den „maiores“ (Höheren) seiner Zeit: Bürger, Adelige und hoher Klerus.
Weiters sollen die Brüder „in Armut“ leben. „Das war das ganz große Anliegen des Ordensgründers“, unterstreicht der Franziskaner: Alle Lebenspraxis steht unter dem Aspekt der „Armut“ (geistig wie materiell). Und die Brüder sollen „in Gemeinschaft“ leben.
Gradl: „Franziskus versteht seine Anhänger ganz bewusst als eine Gemeinschaft von Brüdern.“ Es steht ausdrücklich im Text, dass die Brüder, wenn sie durch die „Welt“ gehen „nicht streiten sollen“. Sie sollen einander zugetan sein und einander begegnen wie Geschwister.
Die „Aktualität“ der Regel des Franz von Assisi besteht darin, „dass sie ein Kontrastprogramm zu dem, darstellt, was gerade heute für so viele Menschen (zumindest in unserem Umfeld) unumstößlich gilt: Macht, Ansehen, Reichtum“, sagt der Franziskaner: Dazu kommt, dass heute der sorgsame und liebevolle Umgang mit der Schöpfung (ökologischer Aspekt) besonders brisant, ja überlebensnotwendig ist.“
Genau aus diesen Gründen dürfte sich wohl auch Kardinal Jorge Mario Bergoglio SJ seinen Papstnamen nach dem heiligen Franziskus gewählt haben. „Das Charisma des Franziskus im Umgang mit den Menschen sowie mit der Kreatur wurzelt in seiner innigen Beziehung zu Gott als dem Schöpfer von allem“, betont Gradl: „Im berühmten Sonnengesang wird das sehr deutlich: In der geschaffenen Welt, in der Kreatur, sieht er die liebende Zuwendung seines Vaters im Himmel.
Nur auf diesem Hintergrund kann er selbst das Feuer, das ihm bei seiner Augenoperation solche Schmerzen bereitete, ja sogar den leiblichen Tod preisen – sie alle sind Geschöpfe des liebenden Vaters.“
Die Franziskus-Regel atmet „den Geist der Armut und der Brüderlichkeit“. Gradl: „Von der Armut, wie sie Franziskus gedacht hat, sind wir natürlich weit entfernt. "Wir versuchen dem nahe zu kommen, indem wir einen bescheidenen und einfachen Lebensstil anstreben und uns für Arme sowohl in der näheren Umgebung als auch durch Projekte auf der ganzen Welt einsetzen.“
Die Ordensfamilie besteht aus drei männlichen Zweigen – sie haben sich infolge der Frage der Armut herausgebildet: die Minoriten (Ordo Fratrum Minorum Conventualium, OFMConv), die Franziskaner (Ordo Fratrum Minorum, OFM) und die Kapuziner (Ordo Fratrum Minorum Cappucinorum, OFMCap).
Den weiblichen Zweig bilden die Klarissen (Orden der Armen Schwestern der hl. Klara – OSC). Weibliche Ableitungen (sehr vielfältige Formen): U.a. die Kongregation der „Schulschwestern vom III. Orden des hl. Franziskus“, die „Franziskanerinnen von der christlichen Liebe“ (Hartmannschwestern).
Für „Weltleute“ gibt es den sogenannten „Dritten Orden“ (Ordo Franciscanus Saecularis – OFS).
mit Impulsen
für Laien
Am 29. November 1223 bestätigte Papst Honorius III. die endgültige Regel des heiligen Franziskus. Dabei nahm er den vollständigen Text dieser Regel in sein Bestätigungsschreiben hinein.
Das Original dieses Schreibens wird in Assisi als kostbare Reliquie aufbewahrt.
Ein zweiter authentischer Text, der aber gegenüber dem Original einige Unterschiede – vor allem ein verbessertes Latein – aufweist, findet sich im entsprechenden Registerband des Vatikanischen Archivs.
Die bullierte Regel ist nicht nur ein Gesetzeswerk, sondern auch ein geistliches Dokument, ja eine Mahnrede des Heiligen an seine Brüder, damit sie dem Leben nach dem Evangelium, das sie fest versprochen haben, treu bleiben.
Die Regel ist bis heute die spirituelle Grundlage für die Franziskaner. Durch Konstitutionen und Statuten wird sie allerdings für die Herausforderungen der jeweiligen Zeit aktualisiert.
Drei Beispiele aus der Regel des heiligen Franziskus:
hl. Franziskus und hl. Klara
Franziskus, 1182 geboren, genoss das Leben eines privilegierten Sohnes. Statt Ritter zu werden, geriet er jedoch in Gefangenschaft.
1206 kam es zum Bruch mit dem Vater: Öffentlich zog er seine Kleider aus und gab sie dem Vater zurück. Er kleidete sich mit einem Büßergewand und zog sich in Höhlen und zerfallene Kapellen zurück.
Eines Tages hörte er die Stimme Jesu: „Franziskus, geh hin und stelle mein Haus wieder her!“ Daraufhin begann Franziskus, verfallene Kapellen zu renovieren.
1209 wurde in der Kapelle von Portiunkula das Evangelium von der Aussendung der Jünger gelesen; Franziskus gab dies den Anstoß, unter die Leute zu gehen und zu predigen. Bald scharten sich die ersten Gefährten um ihn.
1210 hörte Klara die Predigten von Franziskus, zwei Jahre später schloss sie sich als erste Frau der Gruppe an.
Franziskus gründete für Klara, ihre Schwester und weitere Gefährtinnen den „Zweiten Orden der Armen Frauen“ als Zweig des ersten Ordens, seiner Bruderschaft.
Die Frauen bezogen das Kirchlein San Damiano vor den Toren Assisis, wo Klara als Äbtissin wirkte. Als erste Frau hatte sie eine Ordensregel geschrieben.
Im Laufe weniger Jahre wuchs die Gemeinschaft der Franziskaner aus einer kleinen Gruppe von zwölf Freunden zu einer weit verbreiteten Gemeinschaft.
1223 bestätigte Papst Honorius III. die Lebensregel der Brüder.
Am 3. Oktober 1226 starb Franziskus und wurde 1228 heilig gesprochen.
Klara starb 1253, sie wurde 1255 heilig gesprochen.
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