Weihbischof Krätzl war es ein Anliegen die Hoffnung zu teilen. Das heißt, gegen allen Pessimismus verborgene Zeichen der Hoffnung zu entdecken.
Weihbischof Krätzl war es ein Anliegen die Hoffnung zu teilen. Das heißt, gegen allen Pessimismus verborgene Zeichen der Hoffnung zu entdecken.
Gedanken für das Jahr der Barmherzigkeit. Von Weihbischof Helmut Krätzl
Mit der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute wollte Johannes XXIII. eine ermutigende Botschaft an alle Menschen aussenden. Allen bekannt sind die Anfangsworte „Gaudium et spes, luctus et angor“. Aber man muss weiterlesen, um das Grundanliegen des Dokumentes zu verstehen. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Um das Wort „Jünger Christi“ wurde lange gerungen. Zunächst sollte es heißen, der „Kirche als Ganze“ und zwar durch ihre Unterweisung. Das klang zu doktrinär. Dann schlug man vor „Kirche als Volk Gottes“. Steht dieses der Menschheitsfamilie nur gegenüber? „Jünger Christi“ hingegen zeigt auf die Spur Jesu, der Fleisch angenommen hat, um mitten unter uns zu wohnen. So soll auch sein Jünger, wie er, in Freud und Leid mit den Menschen von heute ganz verbunden sein.
Mit den Menschen Freude teilen, auch ihre irdischen. Gott ist doch in allen Dingen zu finden. In den Wundern der Natur, in der Schöpferkraft der Kunst, in den vielen Formen der Liebe, im lustvollen Erleben ehelicher Hingabe. Jesus hat offenbar Lebenslust ausgestrahlt. Darum haben so viele Jünger um seinetwillen alles verlassen, ist ihm die Volksmenge nachgezogen, haben sich Kinder lärmend und lachend um ihn gedrängt. Mit den Menschen Freude teilen heißt auch, von ihnen selbst neue Freuden im Leben zu entdecken. „Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in den Herzen der Jünger Christi Widerhall fände“, so die Worte des Konzils.
Die Hoffnung teilen. Das heißt, gegen allen Pessimismus verborgene Zeichen der Hoffnung entdecken. Das Positive sehen, das gerade noch unscheinbar wächst. Mut zu machen, für neue Anfänge, selbst nach manchem Scheitern. Jünger Christi dürfen freilich auch von ihrer Hoffnung aus dem Glauben reden, die alle rein irdische Hoffnung übersteigt. Dass am Ende des Lebens Vollendung steht, nicht Verwesung, dass Gott letztlich gut macht, was andere verdarben.
Trauern mit den Trauernden. Trauer ist nicht unchristlich. Selbst Jesus weinte am Grabe seines Freundes Lazarus. Trauer führt manche sogar wieder zur Kirche. Sie erleben sie als eine Gemeinschaft, die mit ihnen wenigstens noch feiern und trauern kann. Mit Trauerpastoral erreicht man sogar Fernstehende.
Freilich sucht man in der Spur Jesu auch jene auf, die sonst Wertvolles verloren haben. Die Heimat, aus der sie flüchten mussten, den Arbeitsplatz, mit dem sie auch das Selbstwertgefühl verlieren. Manche trauern auch über eine Kirche, die sich zu schnell verändert hat und nun nicht mehr die „ihre“ ist. Wieder andere betrauern, dass sie noch immer nicht die Zeichen der Zeit erkannt hat. Führt die Nachfolge Jesu nicht auch zu allen Trauernden, den Armen und Bedrängten?
Mitfühlen in der Angst. Globale Angst, wohin Entwicklungen in Wissenschaft und Technik führen können. Ist der Mensch dann nur Mittel des Fortschrittes oder bleibt er immer auch sein Ziel? Persönliche Angst vor Alter und Krankheit. Angst, wie alles weitergehen soll in Gesellschaft und Kirche. Angst kann auch eine Warnung sein, gefährliche Entwicklungen nicht zu übersehen. Angst kann aber auch krank machen, die notwendigen Kräfte lähmen.
Angst hat schon die Jünger Jesu zu seiner Zeit befallen. Die Spur Jesu führt auch auf den Ölberg, wo seine Freunde schlafen. Dort und am Kreuz lehrt er uns in solcher Angst zu Gott zu rufen, mit ihm zu ringen. Uns heute aber hat er zugesagt. „Fürchtet euch nicht. Ich bin bei euch, ich habe euch erlöst.“ Die Jünger Christi dürfen das nicht nur leichtfertig nachsagen, sondern sollen alle Ängstlichen ernst nehmen, „bei ihnen sein“, ihnen das Gefühl geben, nie allein zu sein.
Solche Überlegungen sind gerade heute aus zwei Gründen besonders aktuell. Einmal, weil Neuevangelisierung voraussetzt, in die Schule Jesu zu gehen. Zum anderen aber, weil das Jahr der Barmherzigkeit nur Früchte bringt, wenn sich die „Jünger Christi“ ganz unter die Menschen mischen, ihnen in froher Zuversicht Hoffnung geben und Trauer und Angst mit ihnen teilen.
Diesen Text hat Weihbischof Helmut Krätzl für das Pfarrblatt der Dompfarre St. Stephan zu Weihnachten 2015 verfasst.