Empfang bei Papst Johannes XXIII. Rechts vom Papst: Helmut Krätzl, links Kardinal Franz König.
Empfang bei Papst Johannes XXIII. Rechts vom Papst: Helmut Krätzl, links Kardinal Franz König.
Seit bald 90 Jahren - davon fast die Hälfte als Bischof - nimmt Helmut Krätzl leidenschaftlich Anteil am kirchlichen Leben. Hoffnung macht ihm die von Papst Franziskus ausgehende Dynamik für die Zukunft der katholischen Kirche.
Schon als Kleinkind fällt der kleine Helmut Krätzl seinem Pfarrer auf. Täglich kommt er an der Hand seiner Mutter frühmorgens in die Wiener Vorstadtkirche St. Ulrich und ist fasziniert von der Feier der Eucharistie. Schon im Alter von vier Jahren hält ihn sein Seelsorger für reif zur Kommunion zu gehen. Dieses Ereignis markiert seinen weiteren Weg. Er wächst in eine lebendige Kirche hinein, die ihm auch in den Schwierigkeiten der Kriegs- und NS- Zeit Halt und Haltung bietet. Der Eintritt ins Wiener Priesterseminar und seine Priesterweihe im Juni 1954, mit kaum 23 Jahren, werden zu konsequenten Schritten.
Der neuernannte Wiener Erzbischof Franz König holt Krätzl 1954 nach zwei Jahren Seelsorgetätigkeit in Baden - St. Stephan als Zeremoniär an seine Seite. Nach einem schweren Unfall auf dem Weg zum Begräbnis des Zagreber Erzbischofs Alojzije Stepinac 1960, zu dem er König begleitetet hat, erholt er sich nur langsam. Der Erzbischof sendet ihn in der Folge zum Studium nach Rom. Dort wird er unmittelbar Zeuge der Aufbruchsstimmung rund um das II. Vatikanische Konzil, an dem er in der I. Session als Stenograph teilnimmt. Bis heute leuchten seine Augen bei der Erinnerung an diese Zeit. Wenn er diese historische Wende zusammenfasst, macht er es an zwei Gestalten fest: auf die hehre, unerreichbare Figur von Pius XII. sei der menschenfreundliche und weltzugewandte Johannes XXIII. gefolgt. Mit ihm habe sich die Kirche dem Menschen zugewandt.
Die Zeit nach dem Konzil, die Krätzl zu einem guten Teil als Pfarrer in Laa an der Thaya verbringt, verteidigt er heute noch mit Nachdruck gegen jede abwertende Rede von „Krisenzeit“ eindeutig als Aufbruchsstimmung.
Kurz nach seinem 46. Geburtstag, gemeinsam mit seinem Freund Florian Kuntner zum Weihbischof von Wien geweiht, bestimmt er als Generalvikar entscheidend das Leben der Wiener Ortskirche mit. Dass er einmal Bischof werde hatte dem jungen Ministranten Krätzl zwar schon Jahrzehnte zuvor sein Pfarrer in St. Ulrich vorausgesagt, ernsthaft gerechnet hat er damit freilich nie. Kennzeichnend für seinen Dienst als Bischof, dem er das Motto „In der Kraft Gottes“ gibt, ist seine Präsenz in den Pfarren und den verschiedenen seelsorglichen Bereichen.
Jahrzehntelang leitet er etwa die Firmungen für die Gemeinde der Gehörlosen, feiert regelmäßig Gottesdienst im Blindeninstitut oder in der Caritasgemeinde „Am Himmel“ in Grinzing und hilft gern in Pfarren zum Sonntagsgottesdienst aus.
Auch nach seiner Emeritierung 2008 bleibt Helmut Krätzl aktiver Seelsorger und viel gehörter Zeitzeuge für das II. Vatikanum. In den letzten Jahren verringern zunehmende gesundheitliche Beschwerden den Radius seines öffentlichen Wirkens. Ungebrochen bleibt seine wache und hellsichtige Anteilnahme am Leben der Kirche. Die durch Papst Franziskus eingeleitete Dynamik macht ihm Hoffnung. Gleichzeitig nimmt er realistisch den Widerstand gegen die vom Papst angestoßene Synodalität wahr.
Von der Relevanz der Botschaft Jesu und der Kirche - auch für die Zukunft - ist er überzeugt. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass Glaube und Gesellschaft heute in einem ungleich komplizierteren Verhältnis zueinanderstehen als das in seiner eigenen Jugendzeit war, dennoch würde er jungen Menschen heute drei Fragen mitgeben: Wer bin ich? Was sind meine Fähigkeiten? Wo kann ich mich am besten einbringen?
Helmut Krätzl, dessen persönlicher Glaubensweg mit dem Erleben der Eucharistiefeier begonnen hat, nimmt im Alter allen körperlichen Gebrechen zum Trotz jeden Sonntag am Gottesdienst im Stephansdom teil - mitten unter den Gläubigen, wo er sich sein Leben lang als Priester und Bischof am wohlsten gefühlt hat.
Den Festgottesdienst zum 90. Geburtstag von Bischof Krätzl feiert Kardinal Christoph Schönborn am 23. Oktober 2021 um 18.00 im Wiener Stephansdom.
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