"Vater, in deine Hände übergeben wir seinen Geist", so Papst Franziskus beim Requiem für den emeritierten Papst Benedikt XVI. am 5. Jänner 2023 auf dem Petersplatz.
"Vater, in deine Hände übergeben wir seinen Geist", so Papst Franziskus beim Requiem für den emeritierten Papst Benedikt XVI. am 5. Jänner 2023 auf dem Petersplatz.
In seiner Predigt beim Requiem auf dem Petersplatz erinnert Franziskus auch an die Mühen des Papsttums, die schwierigen Aufgaben, denen sich "ein Hirte" stellen müsse, "zwischen Kreuzungspunkten und Widersprüchen".
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist am Donnerstag im Vatikan zur letzten Ruhe geleitet worden. Papst Franziskus würdigte bei der rund zweistündigen Totenmesse auf dem Petersplatz die Weisheit und das Feingefühl seines Vorgängers. In seiner Predigt ging Franziskus besonders auf Benedikts Gottvertrauen ein, auf seine Hingabe im Gebet und Liebe zum Evangelium. Er erinnerte zudem an die Mühen des Papsttums, die schwierige Aufgaben, denen sich "ein Hirte" stellen müsse - "zwischen Kreuzungspunkten und Widersprüchen".
Gottvertrauen aber bringe die Sanftmut hervor, "die fähig ist zu verstehen, anzunehmen, zu hoffen und alles zu wagen" - auch über das Unverständnis, das dies hervorrufen könne, hinaus. Es lasse den Hirten verstehen, was zu tun ist, und passe sein Herz und seine Entscheidungen den Zeiten Gottes an.
In seiner Predigt zitierte der Papst vielfach aus den Lesungstexten des Gottesdienstes und bezog deren Aussagen eher indirekt auf seinen Vorgänger. In mehreren Passagen zitierte Franziskus auch Benedikt XVI., u.a. aus dessen Enzyklika "Deus caritas est" und der Predigt, die Benedikt XVI. zu seiner Amtseinführung 2005 gehalten hatte.
Franziskus hob zudem "die ermüdende Last" hervor, die auf den Schultern desjenigen liege, der für andere eintritt. Auch sprach er von der "Zermürbung der Salbung" eines kirchlichen Hirten, "vor allem dort, wo das Gute zu kämpfen hat und die Brüder und Schwestern in ihrer Würde bedroht werden".
Schließlich erwähnte Franziskus die Rolle der Katholiken, die einem Papst anvertraut seien. Sie begleiteten sein Leben und vertrauten es anschließend Gott an. Er rief die Gläubigen dazu auf, Benedikt mit Dankbarkeit und Hoffnung noch einmal jene Liebe zu erweisen, die nicht vergehe. "Wir wollen dies mit derselben Salbung und Weisheit, mit demselben Feingefühl und derselben Hingabe tun, die er uns im Laufe der Jahre zu schenken wusste", so Franziskus. "Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst!"
Laut Angaben des Vatikans nahmen 50.000 Menschen auf dem Petersplatz an der Trauerfeier teil. Rund eine halbe Stunde vor Beginn des Requiems um 9.30 Uhr wurde der verschlossene Holzsarg mit dem Leichnam des emeritierten Papstes von zwölf Trägern auf den Vorplatz des Petersdoms ("Sagrato") gebracht. Der langjährige Privatsekretär von Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, legte anschließend ein Evangelienbuch auf den Holzsarg. Danach beteten die Menschen auf dem Platz den Rosenkranz.
Papst Franziskus stand der anschließenden Trauerfeier vor, zelebrierte aber nicht selbst - wie in jüngster Zeit wegen seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten infolge eines Knieleidens öfters geschehen. Die Zelebration am Altar übernahm der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battista Re. In den auf die Predigt von Franziskus folgenden Fürbitten wurde zunächst auf Deutsch gebetet "für den emeritierten Papst Benedikt, der im Herrn entschlafen ist...", dann folgten in unterschiedlichen Sprachen Fürbitten für den amtierenden Papst und weitere Anliegen.
Das Requiem endete mit einem letzten Gruß von Papst Franziskus am Sarg seines Vorgängers. Stehend segnete er den Sarg von Benedikt XVI. mit einem Kreuzzeichen, legte dann die Hand darauf und verharrte eine Weile mit gesenktem Kopf.
Zehntausende Menschen applaudierten als Zeichen des Respekts, als der Sarg nach der Totenmesse in den Petersdom getragen wurde. Dort fand in der Krypta die eigentliche Beisetzung im kleinen Kreis statt. Die Prozession hinter dem Sarg wurde von Erzbischof Gänswein angeführt. Benedikt XVI. hatte sich das frühere Grab seines 2005 verstorbenen Vorgängers Johannes Paul II. als Bestattungsort gewünscht.
Unter den rund 130 Kardinälen bei der Totenmesse war auch der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Aus der katholischen Kirche in Österreich feierten u.a. auch der Bischofskonferenz-Vorsitzende und Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics und der Salzburger Alterzbischof Alois Kothgasser den Gottesdienst auf dem Petersplatz mit.
Viele hochrangige Vertreter aus Kirche, Religionen und Politik nahmen an der Messe teil, darunter aus Italien Staatschef Sergio Mattarella und Premierministerin Giorgia Meloni sowie die gesamte deutsche Bundesspitze um Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
Zur Feier nach Rom kamen auch Belgiens König Philippe, Spaniens Ex-Königin Sofia und mit Katalin Novak. Andrzej Duda sowie Marcelo Rebelo de Sousa die Staatsoberhäupter von Ungarn, Polen und Portugal. Das offizielle Österreich wurde durch Altbundespräsident Heinz Fischer vertreten.
Aus der Welt-Ökumene waren u.a. Metropolit Emmanuel (Chalkedon) und Metropolit Polykarp (Italien) für das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, Metropolit Antonij (Sevrjuk) als Außenamtsleiter des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchats und der bayerische Landesbischof und langjährige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm als Vorsitzender des Zentralausschusses des Weltkirchenrats (ÖRK) präsent. Der Wiener Bischof Andrej (Cilerdzic) vertrat das serbisch-orthodoxe Patriarchat in Belgrad.
Während des Gottesdienstes enthüllten vereinzelte Teilnehmer Spruchbänder. Auf ihnen dankten sie Benedikt, ein Transparent forderte mit den italienischen Worten "Santo Subito" die rasche Selig- und Heiligsprechung des Verstorbenen. Zahlreiche Teilnehmer aus Bayern schwenkten weiß-blaue Fahnen.
In den drei Tagen vor der Beisetzung hatten knapp 200.000 Menschen dem im Petersdom aufgebahrten früheren Papst die letzte Ehre erwiesen. Bereits am Mittwochabend war in der Papstbasilika das feierliche Ritual der Sargschließung begangen worden. An der Zeremonie im kleinen Kreis nahmen unter anderem der Dekan des Kardinalskollegiums, Giovanni Battista Re, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Erzpriester des Petersdoms, Mauro Gambetti, teil. Papst Franziskus und Benedikts Sekretär Gänswein waren nicht zugegen.
Wortlaut der Predigt von Papst Franziskus bei der Totenmesse für Benedikt XVI. |
"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist" (Lk 23,46). Dies sind die letzten Worte des Herrn am Kreuz; sein letzter Seufzer - so könnte man sagen -, der das zu bestätigen vermag, was sein ganzes Leben kennzeichnete: ein ständiges Sich-Hingeben in die Hände seines Vaters. In diese Hände der Vergebung und des Mitgefühls, der Heilung und der Barmherzigkeit, diese Hände der Salbung und des Segens, die ihn dazu brachten, sich dann auch in die Hände seiner Brüder und Schwestern zu geben. Der Herr ließ sich in Offenheit für die Geschehnisse, die ihm auf seinem Weg begegneten, vom Willen Gottes fein bearbeiten, indem er alle Konsequenzen und Schwierigkeiten des Evangeliums auf seine Schultern nahm, bis seine Hände die Wundmale seiner Liebe zeigten: "Sieh meine Hände", sagte er zu Thomas (Joh 20,27) und er sagt dies zu einem jedem von uns. Verwundete Hände, die sich uns entgegenstrecken und immerfort darreichen, damit wir Gottes Liebe zu uns erkennen und an sie glauben (vgl. 1 Joh 4,16). [vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, 1.]
"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist" - so lautet die Einladung und das Lebensprogramm, das der Herr einhaucht und welches das Herz des Hirten wie ein Töpfer (vgl. Jes 29,16) formen will, bis sich in ihm die Gesinnung Christi Jesu regt (vgl. Phil 2,5). Dankbare Hingabe im Dienst für den Herrn und sein Volk, die sich aus der Annahme einer gänzlich ungeschuldeten Gabe ergibt: "Du gehörst mir ... du gehörst zu ihnen", flüstert der Herr; "du stehst unter dem Schutz meiner Hände. Du stehst unter dem Schutz meines Herzens. Du bist behütet in meinen schützenden Händen, und gerade so befindest du dich in der Weite meiner Liebe. Bleib in meinen Händen und gib mir die deinen". (vgl. Benedikt XVI., Homilie in der Chrisam-Messe, 13. April 2006.) Die Nachsicht Gottes und seine Nähe ermöglichen es ihm, sich in die schwachen Hände seiner Jünger zu legen, um sein Volk zu speisen und mit dem Herrn zu sagen: Nehmt und esst, nehmt und trinkt, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird (vgl. Lk 22,19).
Betende Hingabe, die sich still zwischen den Kreuzungspunkten und Widersprüchen, denen sich der Hirte stellen muss (vgl. 1 Petr 1,6-7), und der vertrauensvollen Aufforderung, die Herde zu hüten (vgl. Joh 21,17) herausbildet und verfeinert. Wie der Meister trägt er auf seinen Schultern die ermüdende Last des Eintretens für andere und die Zermürbung der Salbung für sein Volk, vor allem dort, wo das Gute zu kämpfen hat und die Brüder und Schwestern in ihrer Würde bedroht werden (vgl. Hebr 5,7-9). In dieser Begegnung der Fürsprache bringt der Herr die Sanftmut hervor, die fähig ist, zu verstehen, anzunehmen, zu hoffen und alles zu wagen - über das Unverständnis, das dies hervorrufen kann, hinaus. Es ist eine unsichtbare und unbegreifliche Fruchtbarkeit, die entsteht, wenn man weiß, in wessen Hände man sein Vertrauen gelegt hat (vgl. 2 Tim 1,12). Betendes und anbetendes Vertrauen, das den Hirten verstehen lässt, was zu tun ist und sein Herz und seine Entscheidungen den Zeiten Gottes anpasst (vgl. Joh 21,18): "Weiden heißt lieben, und lieben heißt auch, bereit sein zu leiden. Und lieben heißt: den Schafen das wahrhaft Gute zu geben, die Nahrung von Gottes Wahrheit, von Gottes Wort, die Nahrung seiner Gegenwart". (Benedikt XVI., Homilie in der Hl. Messe zur Amtseinführung, 24. April 2005.)
Eine Hingabe, die vom Trost des Geistes getragen wird, der ihm bei seiner Sendung immer vorausgeht: in dem leidenschaftlichen Bestreben, die Schönheit und die Freude des Evangeliums zu vermitteln (vgl. Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 57), im fruchtbaren Zeugnis derer, die wie Maria in vielerlei Hinsicht beim Kreuz bleiben, in jenem schmerzvollen, aber starken Frieden, der weder angreift noch unterdrückt, und in der hartnäckigen, aber geduldigen Hoffnung, dass der Herr seine Verheißung erfüllen wird, wie er es unseren Vätern und seinen Nachkommen für immer verheißen hat (vgl. Lk 1,54-55).
Auch wir, die wir fest mit den letzten Worten des Herrn und dem Zeugnis, das sein Leben geprägt hat, verbunden sind, möchten als kirchliche Gemeinschaft in seine Fußstapfen treten und unseren Bruder den Händen des Vaters anvertrauen: Mögen diese Hände der Barmherzigkeit seine mit dem Öl des Evangeliums brennende Lampe vorfinden, das er während seines Lebens verbreitet und bezeugt hat (vgl. Mt 25,6-7).
Der heilige Gregor der Große lud am Ende seiner Pastoralregel einen Freund dazu ein und forderte ihn auf, ihm diese geistliche Weggemeinschaft zuteilwerden zu lassen: "Inmitten der Stürme meines Lebens tröstet mich die Zuversicht, dass du mich auf der Planke deiner Gebete über Wasser hältst, und dass du mir, wenn die Last meiner Fehler mich niederzieht und demütigt, die Hilfe deiner Verdienste leihst, um mich emporzuholen". Dies ist das Bewusstsein des Hirten, dass er nicht allein tragen kann, was er in Wirklichkeit nie allein tragen könnte, und deshalb weiß er sich dem Gebet und der Fürsorge des Volkes zu überlassen, das ihm anvertraut wurde. (Benedikt XVI., Homilie in der Hl. Messe zur Amtseinführung, 24. April 2005.) Das gläubige Volk Gottes versammelt sich, es begleitet das Leben dessen, der sein Hirte war und vertraut es dem Herrn an. Wie im Evangelium die Frauen am Grab, so sind wir hier mit dem Wohlgeruch der Dankbarkeit und der Salbung der Hoffnung, um ihm noch einmal die Liebe zu erweisen, die nicht vergeht; wir wollen dies mit derselben Salbung und Weisheit, mit demselben Feingefühl und derselben Hingabe tun, die er uns im Laufe der Jahre zu schenken wusste. Wir wollen gemeinsam sagen: "Vater, in deine Hände übergeben wir seinen Geist."
Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst! |