Mit der außerordentlichen Öffnung der Päpstlichen Villen von Castel Gandolfo kann nun zum ersten Mal auch der Apostolische Palast besichtigt werden.
Mit der außerordentlichen Öffnung der Päpstlichen Villen von Castel Gandolfo kann nun zum ersten Mal auch der Apostolische Palast besichtigt werden.
Der August ist für uns Österreicher die Urlaubszeit schlechthin. Auch für Papst Franziskus? Nein: Denn der hat komplett andere Urlaubsgewohnheiten als seine Vorgänger. Und die pästliche Sommerresidenz Castelgandolfo südlich von Rom hat er in ein Museum umgewandelt.
Wo in der Antike römische Kaiser und seit 400 Jahren römische Bischöfe ihre Sommerfrische genossen, lässt es sich nun herrlich lustwandeln und einen Blick auf ein Stück Papstgeschichte werfen, das mit Franziskus, dem Kargen, womöglich langfristig zu Ende gegangen ist.
In Palästen geht es selten so richtig gemütlich zu, und die Sommerresidenz der Päpste in Castelgandolfo macht da keine Ausnahme. Hohe Decken, kaltes Licht, das Mobiliar gediegen und wie aus der Zeit gefallen, allerlei Gemälde an den Wänden, gepolsterte Stühle mit Glanzlack, doch ohne Komfort.
Vergeblich sucht man etwa ein schönes großes Sofa, das dazu einladen würde, Straßenschuhe abzustreifen, sich eine Decke zu schnappen, die Beine hochzulagern und zur Abwechslung einen guten Roman zu lesen. Solches Freizeitverhalten gehörte wohl nie zum Stil der Päpste, einschließlich des amtierenden.
Alles in der alten Papstvilla hoch über dem See von Castelgandolfo atmet Würde, Repräsentation, Besitz und spricht mithin vom weltlichen Reichtum des Bischofs von Rom.
Zu einem Papst mit Namen Franziskus wollte das nicht passen. Nicht ein einziges Mal hat er diesen Palast wirklich benutzt, nur auf Stippvisite war der Hausherr zweimal hier: das erste Mal gleich nach seiner Wahl, um den emeritierten Benedikt XVI. zu besuchen, der kurz davor seinen letzten Auftritt als amtierender Papst auf der Loggia von Castelgandolfo hatte und den erschütterten Gläubigen auf dem Stadtplatz in einem finalen Gruß gute Nacht wünschte.
Das zweite Mal kam Franziskus zu einer Messe am 15. August 2013, weil auch seine Vorgänger das Hochfest Maria Himmelfahrt stets hier gefeiert hatten, in der anmutigen Pfarrkirche auf dem Hauptplatz von Castelgandolfo.
Seither urlaubte nur noch Benedikt XVI. einmal in der Papstvilla. Die 20 Gärtner und übrigen Vatikanangestellten, die Palast und Park in Schuss hielten, drohten für buchstäblich niemanden mehr zu arbeiten. Da beschloss Franziskus, die Sommerresidenz für zahlende Gäste als Museum zu öffnen.
Schon in der Antike war dieser Ort über dem tiefblauen Vulkansee von Albano berühmt, die römischen Kaiser wussten die Vorzüge der frischen Hügel und der umgebenden Eichenwälder zu schätzen,
Domitian baute sich eine herrschaftliche Villa einschließlich eines Amphitheaters im Park. Um 1200 errichtete die Genueser Adelsfamilie Gandolfi eine Burg an derselben Stelle.
Ihre Nachfolger, die Savelli, wollten einen Berg Schulden beim Papst nicht begleichen, und so wurde Castelgandolfo 1604 den zeitlichen Gütern des Heiligen Stuhles einverleibt.
Der Barberini-Papst Urban VIII. (1623-1644), der sich hier schon als Kardinal in den heißen Sommermonaten gern den Wind um die Nase wehen ließ, rief seinen Lieblingsarchitekten Carlo Maderno und hieß ihn die Burg zu seiner Sommerresidenz umzubauen.
Seither nutzten die Päpste das Anwesen für mehrere Monate im Jahr, meist von Juli bis September. Einige erquickten sich bei Reit- und Jagdausflügen, spätere Päpste tankten eher geistlich auf, der sportliche Johannes Paul II. ließ sich zusätzlich ein kleines Schwimmbecken anlegen, schließlich kann ein Papst nicht einfach zum See hinabspazieren und ins Wasser springen, und wenn er es noch so gerne möchte.
Eine unfreiwillige Unterbrechung von 60 Jahren verzeichnete die päpstliche Sommerfrische in Castelgandolfo ab 1870. Das entstehende Königreich Italien kassierte die Reste des Kirchenstaates, Papst Pius IX. zog sich verbittert in den Vatikan zurück, und keiner seiner Nachfolger der kommenden sechs Jahrzehnte verließ lebend den Ort, an dem ihn die Wahl zum Nachfolger Petri ereilt hatte – nicht einmal Richtung Castelgandolfo.
Das Intermezzo endete erst mit den Lateranverträgen 1929, und der amtierende Papst Pius XI. (1922-1939) begann umgehend nicht nur seinen Staat, die Vatikanstadt, auszubauen, sondern auch die zurückgewonnene Sommerresidenz in den Albaner Bergen wieder zu bespielen.
Die päpstliche Sternwarte übersiedelte nach Castelgandolfo: Der technikaffine Pius richtete im Papstpalast ein Observatorium mit aufklappbarer Kuppel ein, und seine Astronomen aus dem Jesuitenorden konnten fortan die Sterne durch das beste Teleskop der Zeit beobachten, ein „Zeiss“ aus Jena. Heute ist die alte Sternwarte Teil des Museums.
Die päpstlichen Astronomen, die es nach wie vor gibt, residieren in einem Haus am Rand der Villa, ihre Himmelsbeobachtungen führen sie schon lange in einer modernen Sternwarte in Tucson, Arizona, durch.
Rechtlich gehört Castelgandolfo zum Vatikanstaat, ist aber mit 55 Hektar größer als dieser. Prachtvoll anzusehen ist der Park mit seinen Sichtachsen, gediegenen Spazierwegen und antiken Fundstücken, die hie und da die Pfade säumen.
Im hinteren Teil des Anwesens liegt, eher unvermutet, ein Bauernhof. Auch diesen hatte Pius XI. einrichten lassen. Im Notfall sollte der landwirtschaftliche Betrieb dazu in der Lage sein, den Papst und seinen Hofstaat zu ernähren.
Der Notfall trat niemals ein, der Bauernhof ist bis heute in Betrieb und liefert Milch und Eier glücklicher Tiere in den Vatikan. Rentabel arbeitet er sicher nicht.
Doch beispielhaft zeigt sich an diesem päpstlichen Bauernhof, dass materieller Besitz stets mit der Verheißung von Sicherheit und Unabhängigkeit einhergeht. Kühe, Hühner und Ackerland, doch auch Palast und Gärten rundherum: damit wollte Papst Pius für magere Jahre vorbauen. Auf Papst Franziskus freilich wirkte das Ganze 90 Jahre später wie ein Anachronismus.
Schon in Argentinien ließ Kardinal Bergoglio die stattlichen Villen der Elite links liegen und fuhr lieber mit dem Bus in die Barackenstädte, wo die Menschen ohne Fließwasser leben.
Auch Urlaub machte und macht er keinen. „Vergiss die Armen nicht“, raunte ihm ein langjähriger Freund in der Sixtinischen Kapelle beim Konklave zu, als die nötige Stimmenanzahl für den ersten Papst aus Amerika erreicht war. Und ja, die Aufmerksamkeit für die Armen geht bei Franziskus einher mit der konsequenten Verweigerung eines schnörkeligen Lebensstils, wie frühere Päpste ihn aus Überzeugung, zunehmend aber auch einfach aus Respekt für das Gewordene pflegten.
Mag sein, dass es einen Papst aus der Neuen Welt brauchte, um nicht bloß zu begreifen, dass ein Sommerpalast dieser Art der Botschaft des Mannes aus Nazareth widerspricht, sondern dieser Erkenntnis auch Taten folgen zu lassen.
Gudrun Sailer
ist Redakteurin im deutschsprachigen Dienst von Radio Vatikan in Rom.
Papstpalast und Gärten von Castelgandolfo sind von
Montag bis Freitag (9 bis 13 Uhr) sowie am Samstag (9 bis 16.30 Uhr) zur Besichtigung geöffnet.
Eintrittskarten verkaufen die Vatikanischen Museen, auch online.
Nach Castelgandolfo gelangt man am bequemsten mit der Bahn.
Samstags fährt ein Sonderzug vom vatikanischen Bahnhof nach Castelgandolfo.
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