Michael Prüller ist Chefredakteur des Sonntags - die Zeitung der Erzdiözese Wien, Pressesprecher von Kardinal Christoph Schönborn und Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
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"Wie wünschte ich mir, dass für einen Augenblick alle Menschen guten Willens auf das Kreuz schauten!"
Papst Franziskus
Der Papst hat beim Friedensgebet in Rom ausgerufen: "Wie wünschte ich mir, dass für einen Augenblick alle Menschen guten Willens auf das Kreuz schauten! Dort kann man die Antwort Gottes ablesen: Dort wurde auf die Gewalt nicht mit Gewalt reagiert, auf den Tod nicht mit der Sprache des Todes geantwortet."
Mich hat das an einen vor Jahren gehörten Vortrag eines Priesters erinnert. Thema: "Liebe deine Feinde!" Er sagte: Wann bin ich überhaupt fähig, meine Feinde zu lieben? Wenn ich keine Angst vor ihnen habe – weil ich den Tod nicht mehr fürchten muss. Und zwar nicht nur den Tod im engeren Sinn, sondern auch den kleinen Tod in den Augen der anderen: die Blamage, den Misserfolg, die Herabsetzung. Wie sehr fürchten wir, diesen "sozialen Tod" zu sterben.
Aber wenn ich erfahren habe, dass Christus den Tod für mich überwunden hat, dass auch dann, wenn mir alles genommen wird, die ganze große Liebe Gottes auf mich wartet - dann ist mein Herz so frei, dass ich sogar den Feind lieben kann.
Vor diesem Vortrag hatte ich das mit der Feindesliebe so gesehen, dass Gott da einen Akt schwerer Disziplin und Selbstverleugnung von uns fordert. Und dann auf einmal diese andere Sicht: Nicht hartes Training, sondern die Überfülle der Liebe Gottes, das Vertrauen in Ihn, das Wissen um das sichere gute Ende, das Erlöstsein, machen uns fähig, restlos zu lieben. Wie Christus am Kreuz. Wie wenig bin ich ihm bisher nachgefolgt!
Kolumne vom 15. September 2013