Michael Prüller ist Chefredakteur des Sonntags - die Zeitung der Erzdiözese Wien, Pressesprecher von Kardinal Christoph Schönborn und Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
Michael Prüller ist Chefredakteur des Sonntags - die Zeitung der Erzdiözese Wien, Pressesprecher von Kardinal Christoph Schönborn und Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
„Bin ich ein Zeuge davon, dass Christus lebt und uns Gutes tut? Und lege ich davon begeistert Zeugnis ab? Sich das zu fragen, ist für mich genauso ungewohnt und fordernd wie für Sie. Aber ich fürchte, dass es nicht anders geht.“
Rund 500 Menschen waren mit auf der Diözesanwallfahrt auf den Spuren des Apostels Paulus. Den „Sonntag" lesen etwa 45.000 Menschen. Dass Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auf der Reise dabei waren, ist also sehr unwahrscheinlich. Hier möchten wir Sie dennoch teilhaben lassen und ein Stück mitnehmen auf unseren Weg.
Was wir auf den Spuren des Paulus erlebt haben, hat nämlich etwas mit unser aller Zukunft in der Kirche zu tun. Denn wenn sich die Zeiten ändern – und das tun sie –, wenn weder „weitermachen wie bisher" noch „ab jetzt wird alles anders" was taugen, dann braucht eine Institution wie die Kirche den Blick zu den Ursprüngen, zu den Quellen.
In der Zeit des Apostels Paulus war es weder selbstverständlich noch nützlich, Christ zu sein. Im Gegenteil: Überall ernteten die Christen damals Misstrauen und Feindseligkeit. Warum und wie ist es Paulus aber gelungen, trotzdem Menschen zum Glauben an Christus zu führen und Gemeinden zu gründen? Gemeinden, die sich auch in schwerer Bedrängnis entwickelt und entfaltet haben? Diesem Geheimnis nachzuspüren war der tiefere Inhalt unserer Wallfahrt – und es ist ein Schlüssel für die Zukunft der Kirche.
Es ist ein besonderes Gefühl, die Hauptstraße des antiken Ephesus hinunterzugehen, auf einem Pflaster, das auch schon die Füße des Apostels getragen hat. Oder im mazedonischen Veria genau dort Messe zu feiern, wo Paulus gepredigt hat.
Oder in Athen auf dem Aeropag zu stehen, wo er die ersten Menschen dieser Stadt bekehrt hat. Und wie von selbst kommt die Frage: Habe ich, haben wir auch nur einen Funken der Begeisterung und der Energie, die Paulus damals hatte? Ist uns die Sache überhaupt ähnlich wichtig wie ihm?
Und vor allem: Warum waren die Menschen damals so glücklich, an den Auferstandenen glauben zu dürfen, zur Kirche gehören zu dürfen, dass sie sogar die Kritik und den Spott ihrer Mitmenschen, ihrer Verwandten und Nachbarn auf sich genommen und dem Paulus geglaubt haben? Wo ist dieses Glück, diese Freude heute?
Um eine Antwort zu finden, muss man nicht auf der Wallfahrt mitgewesen sein. Es reicht, das zu sehen, was Weihbischof Stephan Turnovszky in Veria als Kern der Verkündigung des Paulus genannt hat: Christus wurde für uns gekreuzigt, ist auferstanden – und ich bin Zeuge dafür, dass er lebt!
Bin ich ein Zeuge davon, dass Christus lebt und uns Gutes tut? Und lege ich davon begeistert Zeugnis ab? Sich das zu fragen, ist für mich genauso ungewohnt und fordernd wie für Sie.
Aber ich fürchte, dass es nicht anders geht. Nur dann lebt die Kirche, in aller Bedrängnis.