Michael Prüller ist Chefredakteur des Sonntags - die Zeitung der Erzdiözese Wien, Pressesprecher von Kardinal Christoph Schönborn und Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
Michael Prüller ist Chefredakteur des Sonntags - die Zeitung der Erzdiözese Wien, Pressesprecher von Kardinal Christoph Schönborn und Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
Keine Kollektion von Tugenden wie eine Käfersammlung, sondern Heiligkeit bedeutet, in der Begegnung mit Jesus Christus zu leben.
In der Bild-Zeitung lese ich in einem Artikel über die Heiligsprechung der Päpste: „Seit dem 16. Jahrhundert stellt die katholische Kirche fest, ob ein Verstorbener das Recht hat, als Heiliger verehrt zu werden.“ Das ist ziemlicher Unsinn.
Zum einen gibt es formelle Heiligsprechungsverfahren schon sehr viel länger. Und noch viel weniger geht es dabei um ein „Recht des Verstorbenen“. Es geht um etwas ganz anderes.
Als Papst Franziskus noch Kardinal Bergoglio war, hat er einmal gesagt: „Die Heiligkeit ist nicht einfach eine Sammlung von Tugenden wie eine Käfersammlung… Heiligkeit heißt, in der Begegnung mit Jesus Christus zu leben.“
Es geht also darum, ob jemand ganz in der Begegnung mit Christus gelebt hat. Denn wenn er das schon als Lebender getan hat, so glauben wir, dass er es noch viel mehr im Himmel tut – und daher sozusagen an der Quelle sitzt, um uns ein Fürsprecher zu sein.
Die Heiligsprechung ist nicht wie eine posthume Ordensverleihung an einen vortrefflichen Menschen. Sie ist auch nicht dazu da, um alles für vortrefflich zu erklären, was ein Heiliger in seinem Leben getan oder gesagt hat.
Im Kern geht es bei einer Heiligsprechung um unsere Gewissheit: Dass da jemand Gott so nahe gekommen ist, dass er für uns Vorbild, Bestärkung – und ein mächtiger Fürsprecher sein kann.
Das ist, denke ich, die Art von Heiligkeit, auf die es ankommt. Und die jedem von uns schon auf dieser Welt aufgetragen ist und offen steht – egal, ob sie irgendwann einmal offiziell anerkannt wird.
Leitartikel im Sonntag 27.4.