Diese große Aufgabe, eine Völkerwanderung zu bewältigen, erfordert viel mehr, als nur Erstaufnahmeplätze zu schaffen. Vom Kardinal bis zum Schulkind hat dabei jeder seine besondere Funktion.
Diese große Aufgabe, eine Völkerwanderung zu bewältigen, erfordert viel mehr, als nur Erstaufnahmeplätze zu schaffen. Vom Kardinal bis zum Schulkind hat dabei jeder seine besondere Funktion.
Flüchtlingsströme sind bewältigbar.
Eine „dramatische Situation“ hat Kardinal Schönborn die Flüchtlingsströme in Europa genannt – in seiner Predigt zu Maria Himmelfahrt. An dem Tag, an dem Maria in unser eigentliches Zuhause aufgenommen wird, hat der Kardinal darüber gesprochen, wie es ist, das Zuhause auf dieser Welt verlassen, fliehen zu müssen. Und wie vielen Menschen heute auf der Flucht sind. Und er hat uns alle aufgerufen, uns ihrer Not zu stellen. Aber was heißt das?
Die Situation, laut dem Kardinal dramatischer als zur Zeit des Jugoslawienkrieges oder des Ungarnaufstandes, bedeutet ja nicht nur Flüchtlingsleid. Sie macht auch den Einheimischen Angst: 80 Prozent der Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind Männer. Sechs von sieben Flüchtlingen kommen aus einem muslimischen Land, aus Kulturen, die der unseren sehr fremd sind. Ein Zustrom von 70.000 Flüchtlingen pro Jahr verändert auf Dauer unser Land.
Das löst Fremdenhass aus – aber auch berechtigte Sorgen. Wird das soziale Gefüge in Österreich halten? Werden wir unsere Kultur, unsere Lebensart bewahren können? Beide Fragen können durchaus mit „Ja“ beantwortet werden – wenn wir sie ernst nehmen. Und auf Dauer werden wir nur dann die Not der Flüchtlinge lindern können, wenn wir auf die Sorgen eingehen und zeigen, dass die Situation bewältigbar ist. Nur dann können wir verhindern, dass Populisten die Stimmung zum Kippen bringen und der Fremdenhass siegt.
Diese große Aufgabe, eine Völkerwanderung zu bewältigen, erfordert viel mehr, als nur Erstaufnahmeplätze zu schaffen. Vom Kardinal bis zum Schulkind hat dabei jeder seine besondere Funktion. Und mehr als alles andere scheint es mir eine historische Stunde der Pfarren in unserem Land zu sein.
Michael Prüller ist Chefredakteur des "Sonntag" und Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.
Seit fast 30 Jahren ist er Journalist, Ehemann und Vater und seit kurzem auch Großvater.
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