Vereinfachungen sind Selbstbetrug. Die Wirklichkeit ist viel komplexer.
Vereinfachungen sind Selbstbetrug. Die Wirklichkeit ist viel komplexer.
Europa hat viele Invasionen erlebt hat – und immer einen Weg gefunden, sich treu zu bleiben und aus der Begegnung mit anderen Kulturen zu wachsen und sich zu erneuern.
Ob die Wortwahl des Papstes immer glücklich ist, bin ich mir nicht sicher. Aber er wird gehört. Und das ist besser, als dass er seine Worte auf die Goldwaage legt und sie ungehört verhallen.
Wellen geschlagen hat jedenfalls seine Bemerkung, dass man von einer „arabischen Invasion in Europa reden kann“. Viele, die darum kämpfen, dass die Flüchtlinge nicht dämonisiert werden, hat es bei dieser Äußerung gerissen.
Aber was hat der Papst noch gesagt – am Rande einer Privataudienz, die ein französischer Journalist in der Vatikanzeitung Osservatore Romano nacherzählt hat?
Dass Europa schon so viele Invasionen erlebt hat – und immer einen Weg fand, sich trotzdem treu zu bleiben und aus der Begegnung mit anderen Kulturen zu wachsen und sich zu erneuern.
Dass klingt ganz anders als die Alarmrufe mancher Kirchenvertreter vor einer
Unterjochung Europas durch den Islam.
Der Papst ist also – das zeigt seine Wortmeldung – Realist und Optimist zugleich. Und er steckt die Menschen nicht in Schubladen.
Würde er der populären Vereinfachung anhängen, dass jeder Araber ein Moslem und jeder Moslem ein Dschihadist oder zumindest ein Frauenverächter sei, könnte er nicht so entspannt – „als ob er übers kalte Wetter spricht“ (Osservatore Romano) – über eine arabische Invasion reden.
Und diese Vereinfachungen sind Selbstbetrug. Die Wirklichkeit ist viel komplexer. Ich habe etwa gerade eine Aussendung zum Weltfrauentag erhalten.
Da steht: „Wir sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft erst dann wirklich gerecht ist, wenn Frauen und Männer auf allen Ebenen der Gesellschaft und ohne Kompromisse gleichberechtigt und gleichwertig sind.“ Absender: die MJÖ, die Muslimische Jugend Österreichs.
Dr. Michael Prüller ist Chefredakteur des "Sonntag" und Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.
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