Der Respekt vor jedem Menschen verbietet es daher nicht, ihm jene Weltsicht anzutragen, die man selber für die richtigere, die wahrere hält. Aber dieser Respekt gebietet Achtung vor der Freiheit.
Der Respekt vor jedem Menschen verbietet es daher nicht, ihm jene Weltsicht anzutragen, die man selber für die richtigere, die wahrere hält. Aber dieser Respekt gebietet Achtung vor der Freiheit.
Alle großen Religionen sind umfassende Erklärungen der Welt, des Menschen und ihrer Bestimmung. Der Wunsch, den eigenen Glauben zu verbreiten, ist aber vernünftig und gut.
Kardinal Christoph Schönborn hat kürzlich ein Interview gegeben. Darin sagt er, zur befürchteten Islamisierung Europas befragt: So, wie er sich wünschen würde, dass die Türkei oder Nordafrika wieder christlich würden, „wie sie einmal waren“, so könne er es auch den Moslems nicht verargen, wenn die sich wünschten, dass Europa islamisch werde.
Darauf gab es zwei entgegengesetzte Reaktionen: Die einen meinten, der Kardinal habe sich feindselig gegen den Islam in der Türkei und Nordafrika ausgesprochen. Statt der Christianisierung das Wort zu reden, sollte er doch alle Religionen gleich wertschätzen. Und die anderen fanden, der Kardinal gehe zu freundlich mit dem Islam um – er habe offenbar kein Problem damit, dass Europa islamisiert werden solle.
Beide Kritiken haben ihr Problem mit dem friedlichen Wettbewerb der Religionen. Die einen sagen: Frieden zwischen den Religionen gebe es nicht, höchstens schwächliche Nachgiebigkeit. Mission wäre daher böse, und Toleranz gegenüber Missionaren auch. Und die anderen sagen: Es solle nicht einmal einen friedlichen Wettbewerb geben, denn alle Religionen seien gleich gut und richtig.
Beide haben, denke ich, nicht Recht. Alle großen Religionen sind umfassende Erklärungen der Welt, des Menschen und ihrer Bestimmung. Unterschiedliche Erklärungen können aber nicht gleichermaßen richtig sein (höchstens gleichermaßen falsch).
Der Respekt vor jedem Menschen verbietet es daher nicht, ihm jene Weltsicht anzutragen, die man selber für die richtigere, die wahrere hält. Aber dieser Respekt gebietet Achtung vor der Freiheit und daher Ächtung von Zwang und Gewalt. Sie sind das Problem. Der Wunsch, den eigenen Glauben zu verbreiten, ist aber vernünftig und gut.
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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