Der Papst ist es eben auch nicht immer "nett". Aber hat er da nicht in Christus ein beunruhigendes Vorbild?
Der Papst ist es eben auch nicht immer "nett". Aber hat er da nicht in Christus ein beunruhigendes Vorbild?
Ein Katholik, der den Papst nicht respektiert, der respektiert doch seinen eigenen Glauben nicht, der im Papst ein besonderes Werkzeug des Heiligen Geistes erkennt.
Seit einer Woche kleben in Rom mehr als 200 Plakate, auf denen der Papst mit finsterem Gesicht zu sehen ist. Darunter steht: „Franziskus, du hast Kongregationen unter kommissarische Leitung gestellt, Priester entlassen, den Malteserorden und die Franziskaner der Immaculata enthauptet, Kardinäle ignoriert... Wo bleibt da deine Barmherzigkeit?“ Einen Absender gibt es nicht. Die Urheber dürften jedenfalls unter traditionalistischeren Katholiken zu finden sein.
Mich befremdet auch manchmal, wie schroff Papst Franziskus über laue Priester spricht oder über die Christen, die seiner Ansicht nach nicht die Sache Jesu vertreten, während er für alle anderen Sünder Barmherzigkeit einmahnt.
Aber hat er da nicht in Christus ein beunruhigendes Vorbild? Ich denke etwa an die Szene bei Lukas (11,37), als Christus sich von einem Pharisäer einladen lässt. Weil Jesus die traditionelle Waschung vor dem Essen verabsäumt, zeigt sich der Pharisäer verwundert. Und das reicht schon für eine Standpauke, die sich gewaschen hat. Jesus, der Gast, wirft seinen Gastgebern vor, dass sie innerlich „voll Raubgier und Bosheit“ seien, und sechs Mal (!) schleudert er ihnen ein „Wehe euch!“ entgegen.
Da ist Christus gar nicht „nett“. Und der Papst ist es eben auch nicht immer. Aber deswegen gegen ihn plakatieren? Ein Katholik, der den Papst nicht respektiert, der respektiert doch seinen eigenen Glauben nicht, der im Papst ein besonderes Werkzeug des Heiligen Geistes erkennt.
Das bedeutet nicht, dass man jede Äußerung oder den Stil des Papstes für eine Offenbarung halten und verteidigen muss. Und es ist ein Fortschritt, dass Kritik nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wird.
Aber so ganz sind wir noch nicht in einer reifen Debattenkultur angekommen. Der unreife Akt anonymer Plakate macht das deutlich.
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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