Papst Franziskus will ein Diener sein und kein Herr. Darum hat er Vertrauen in Gottes Führung. Das macht ihn innerlich frei, und sein Weg entsteht im Gehen – und ist darum voller Überraschungen.
Papst Franziskus will ein Diener sein und kein Herr. Darum hat er Vertrauen in Gottes Führung. Das macht ihn innerlich frei, und sein Weg entsteht im Gehen – und ist darum voller Überraschungen.
Auch in seinem fünften Amtsjahr ist der Papst noch für Überraschungen gut.
Nachdem das Konklave José Mario Bergoglio am späten Nachmittag des 13. März 2013 zum Papst gewählt hatte, versuchte ich einen Abend und eine halbe Nacht lang, den mitwählenden Kardinal Schönborn telefonisch zu erreichen. Ich hatte die Aufgabe, die zahllosen Interviewwünsche mit ihm abzuklären. Gegen ein Uhr nachts hat er dann zurückgerufen – „wer kann schon schlafen in einer solchen Nacht?“ –, und sein erster Gedanke war: „Wir können von ihm Überraschungen wie von Johannes XXIII. erwarten.“
Auch in seinem fünften Amtsjahr ist der Papst noch für Überraschungen gut. So wie er nun in einem Interview eine Zölibatsdiskussion eröffnet hat, indem er erklärte, man müsse darüber nachdenken, ob man in Sondersituationen bewährte Gemeindemitglieder („viri probati“) zu Priestern weihen könne.
Man soll den Papst aber nicht überinterpretieren. Es gibt an der Kirchenspitze keine vitale Tradition des Diskutierens kontroverser Fragen. Daher glauben viele, wenn der Papst über etwas nachdenken lässt, dann hieße das auch schon, dass er dorthin will – und nur aus taktischen Gründen kein Machtwort spricht, sondern mit dem „Nachdenken“ anfängt.
Aber das halte ich für ein Missverständnis. Wenn der Papst über etwas nachdenken lässt, dann ist das sein Weg, sich und die Kirche dem Heiligen Geist zu öffnen. Ihm will der Papst die Führung überlassen.
Über manches ist sich der Papst völlig im Klaren – wenn es etwa um eine barmherzige Kirche geht, um eine arme Kirche für die Armen.
Über anderes, Ungewisseres, lässt er nachdenken. Das ist dann ein ehrliches Fragen. Papst Franziskus will ein Diener sein und kein Herr. Darum hat er keine heimliche Agenda, sondern Vertrauen in Gottes Führung. Das macht ihn innerlich frei, und sein Weg entsteht im Gehen – und ist darum voller Überraschungen.
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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