Wichtiger als die Textvariante ist mir das Wissen, dass Gott, wenn ich gegen die Versuchung kämpfe, kein neugieriger Beobachter ist, sondern ein Freund, der alles gibt, damit ich gewinne.
Wichtiger als die Textvariante ist mir das Wissen, dass Gott, wenn ich gegen die Versuchung kämpfe, kein neugieriger Beobachter ist, sondern ein Freund, der alles gibt, damit ich gewinne.
Es spricht also vieles dafür, den alten Text zu lassen – aber auch vieles dafür, mit einer neuen Formulierung ganz klar zu machen, dass Gott kein Versucher ist wie Satan.
Auf einmal ist das Vaterunser in die Schlagzeilen geraten. Was ist da los?
Die sechste Bitte bereitet den Theologen seit jeher Kopfzerbrechen: „Führe uns nicht in Versuchung!“ Führt Gott denn in Versuchung? Nein, ein guter Vater tut so was nicht, sagt der Papst – und er hat wohl Recht damit.
Aber die Auseinandersetzung gab es schon lange vor Papst Franziskus. Und auch Neuformulierungen gibt es nicht erst seit heute.
So formulierte die Kirche in Frankreich etwa schon 1967 so: „Unterwirf uns nicht der Versuchung!“. Ab nun heißt es dort: „Lass uns nicht in Versuchung geraten!“ – wie es seit langem in Spanien gebetet wird. In Italien heißt es künftig: „Überlass uns nicht der Versuchung!“
Allerdings steht im altgriechischen Original eindeutig: „Führe uns nicht in Versuchung.“ Es mag sein, dass Jesus das eigentliche Original in Aramäisch gesprochen hat, und dass die griechische Bibel bereits missverständlich übersetzt.
Aber wir kennen den aramäischen Urtext nicht, und wenn man einmal anfängt zu interpretieren, statt nur zu übersetzen, läuft man Gefahr, ständig nachbessern zu müssen. Siehe Frankreich, wo es nun schon die zweite Änderung innerhalb von 50 Jahren gibt.
Und im Alten Testament gibt es durchaus die Vorstellung, dass Gott den Glauben der Menschen auf die Probe stellen lässt. Zum Beispiel Hiob. Niemand möchte geprüft werden wie Hiob – ist es nicht eine sinnvolle Bitte an Gott, mir das zu ersparen?
Es spricht also vieles dafür, den alten Text zu lassen – aber auch vieles dafür, mit einer neuen Formulierung ganz klar zu machen, dass Gott kein Versucher ist wie Satan. Und unterschiedliche Wortlaute in unterschiedlichen Sprachen gab es auch bisher schon.
Wichtiger als die Textvariante ist mir das Wissen, dass Gott, wenn ich gegen die Versuchung kämpfe, kein neugieriger Beobachter ist, sondern ein Freund, der alles gibt, damit ich gewinne.
Wirklich alles.
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