Erfreuen wir uns neu und ganz bewusst an jedem Schluck, an jedem Biss. Und dann steigern wir diese Freude, indem wir den Genuss durch Reduktion noch stärker machen.
Erfreuen wir uns neu und ganz bewusst an jedem Schluck, an jedem Biss. Und dann steigern wir diese Freude, indem wir den Genuss durch Reduktion noch stärker machen.
Fasten als bewusster Verzicht zum Aufbau der spirituellen Muskeln, oder einfacher gesagt: die Kombination von Diät, Gebet und Geben – das ist bei uns nicht mehr so in Mode.
Ein Umfrageergebnis aus der Vorwoche: 14- bis 22-Jährige wurden gefragt, was ihnen im Leben wichtig ist. Nach einem vertrauenswürdigen Partner, guten Freunden, gutem Familienleben und guter Ausbildung kommt – für 95 Prozent: das Leben in vollen Zügen genießen.
Ich werte das jetzt nicht. Aber könnte diese Einstellung mit ein Grund dafür sein, dass das Fasten in unserer Kultur so eine Randerscheinung geworden ist?
Sicher: Diät halten ist weit verbreitet. Aber Fasten als bewusster Verzicht zum Aufbau der spirituellen Muskeln, oder einfacher gesagt: die Kombination von Diät, Gebet und Geben – das ist bei uns nicht mehr so in Mode.
Manche von uns verzichten in der Fastenzeit auf Alkohol oder Zigaretten. Aber auf Essen, vielleicht sogar gelegentlich aufs Sattwerden zu verzichten – das scheint in einer reichen Gesellschaft schwerer zu gehen als in einer armen.
Vielleicht erscheint es in einer Zeit, in der alles da ist, um das Leben in vollen Zügen zu genießen, widersinnig, den Genuss absichtlich einzuschränken.
Und da möchte ich einhaken: Nein – Fasten erhöht den Genuss. Der Verzicht macht bewusst, worauf verzichtet wird: auf die Freude des Sattwerdens. Auf das Geschenk eines guten Essens. Wer bei Wasser und Brot fastet, macht erneut die Entdeckung, wie köstlich Wasser und Brot sind.
Der höchste Lebensgenuss ist das Glücklichsein – und das speist sich aus der Dankbarkeit. Und die Dankbarkeit wird umso größer, je mehr uns bewusst wird, wie beschenkt wir sind.
Verzicht und Genuss gehören also zusammen. Wenn der Verzicht schwer fällt, kann es ein guter Anfang sein, sich dem Genuss zu widmen: Erfreuen wir uns in den letzten Tagen vor dem Aschermittwoch neu und ganz bewusst an jedem Schluck, an jedem Biss. Und dann steigern wir diese Freude, indem wir den Genuss durch Reduktion noch stärker machen.
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