Der entscheidende Moment, der unser Sein definiert, liegt nicht hinter, sondern immer vor uns.
Der entscheidende Moment, der unser Sein definiert, liegt nicht hinter, sondern immer vor uns.
Was früher einmal geschehen ist, hat Bedeutung. Aber der entscheidende Moment, der unser Sein definiert, liegt nicht hinter, sondern immer vor uns:
Kardinal Schönborn hat vor kurzem einen Preis bekommen, von der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die sich um jene Menschen, ihre Erinnerungen und ihr Erbe kümmert, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden, weil ihre Muttersprache Deutsch war.
Auch seine eigene Mutter musste damals mit dem gerade ein halbes Jahr alten Christoph nach Österreich fliehen.
Auf die Frage, wie sehr diese Vergangenheit seine Identität ausmache, hat er Papst Franziskus zitiert, der palästinensischen Kindern in einem Flüchtlingslager gesagt hat: „Lasst niemals zu, dass die Vergangenheit euer Leben bestimmt. Blickt immer nach vorn!“
Auch mich hat diesr Satz des Papstes beeindruckt – noch dazu, weil Franziskus ja den hohen Wert des Erinnerns immer wieder betont. Aber Erinnern ist etwas anderes als die Übermacht, mit der ein Unrecht noch lange, nachdem es geschehen ist, das Leben in seinen Klauen hält. Das ist der eigentliche Triumph des Bösen, dass es so lange die Menschen weiterquälen kann.
Ich habe leicht reden, weil mir nie ein wirklich schweres Unrecht zugefügt wurde. Trotzdem beeindrucken mich alle sehr, die so etwas erleben mussten und sich von seiner Herrschaft befreit haben.
Was früher einmal geschehen ist, hat Bedeutung. Aber der entscheidende Moment, der unser Sein definiert, liegt nicht hinter, sondern immer vor uns: der Augenblick, wenn wir vor Gottes liebevollem Angesicht stehen werden.
Wenn wir nicht unter dem Schatten der Vergangenheit, sondern im Licht dieses Momentes leben können, dann sind wir wirklich frei.
Der Autor:
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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