Entweder ist jeder Mensch ein Heiligtum – oder wir alle sind bloß Material. Lassen wir dieses Bewusstsein nicht verloren gehen.
Dienstag 19. November 2024
14.06.2019
· Weltkirche · Seelsorge
Wenn der Mensch kein Heiligtum ist
Grauenhaftes Geschehen ist nur möglich ist in einer Zeit, die das Bewusstsein verloren hat, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes einmalig und darum unersetzbar ist.“
Am 10. Juni vor 75 Jahren hat eine SS-Division den französischen Ort Oradour-sur-Glane dem Erdboden gleichgemacht. Die Männer wurden in einer Scheune erschossen, die Frauen und Kinder in die Dorfkirche gebracht.
Marguerite Rouffanche, die einzige, die das überlebt hat, hat später erzählt, wie die Mütter diesen „heiligen Ort“ betraten, mit ihren Kindern im Arm, im Kinderwagen, dazu ganze Schulklassen… Das Tor wurde versperrt, vor dem Altar eine Rauchbombe mit Stickgasen entzündet. Dann warfen die Soldaten Handgranaten in die Kirche. 207 Kinder und 254 Frauen starben.
Robert Hébras hat seine Mutter und zwei Schwestern verloren, 22 und 9 Jahre alt. Er selber überlebte unter den Leichen der anderen rund 180 Männer des Dorfes, mit einer Kugel im Bein.
In einem Interview sagt er 2011: „Ich habe lange Zeit Hass verspürt und bin sofort in den Widerstand gegangen, um Rache zu üben. Aber ich bekam keine Gelegenheit – und heute bin ich froh darüber. Mit der Zeit konnte ich erkennen, dass das deutsche Volk nicht verantwortlich war – und vor allem nicht die folgenden Generationen. Für mich wird Oradour immer heißen: Weder Hass noch Vergessen.“
Die Journalistin Marion Gräfin Dönhoff hat im Jahr 1953 in der „Zeit“ anlässlich des Prozesses gegen die Mörder geschrieben: „Es geht uns alle an, weil dieses grauenhafte Geschehen nur möglich ist in einer Zeit, die das Bewusstsein verloren hat, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes einmalig und darum unersetzbar ist.“
Entweder ist jeder Mensch ein Heiligtum – oder wir alle sind bloß Material. Lassen wir dieses Bewusstsein nicht verloren gehen.
erstellt von: Der SONNTAG / Michael Prüller
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Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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