Können/sollen/dürfen Menschen entscheiden, ob das Leben eines Menschen wertvoll ist?
Können/sollen/dürfen Menschen entscheiden, ob das Leben eines Menschen wertvoll ist?
Dem Todesurteil voraus ging die Behauptung, dass das Leben von dieser Person nichts mehr wert war.
Vincent Lambert ist vor einer Woche im Familienkreis beerdigt worden. Der Fall des 42-jährigen Franzosen hat viele Menschen bewegt.
Nach einem Verkehrsunfall vor zehn Jahren war Lambert in einem Zustand minimalen Bewusstseins, nur ein klein wenig wacher als im Wachkoma. Er musste künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden. Sein Zustand war stabil, und er hatte keine offensichtlichen Schmerzen.
Nachdem keine Patientenverfügung vorlag, entschieden die Ärzte, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einzustellen. Lamberts Ehefrau war dafür, seine Eltern dagegen. Nach langem Hin und Her vor den Gerichten setzten sich am Ende die Ärzte durch. Lambert wurde Nahrung und Wasser abgedreht. Er starb nach neun Tagen.
Als die Gerichtsentscheidung bekannt wurde, titelte eine Zeitung: „Vincent Lambert darf sterben“. Das ist falsch. Das Wort „dürfen“ setzt eine Entscheidungsfreiheit voraus.
Wenn man wählen kann, ob man lieber tot wäre als so zu werden wie Vincent Lambert, würden sich wohl viele Leute für das Totsein entscheiden. Sie votieren daher dafür, dass man sterben „darf“.
Lambert selber hatte aber nach seinem Unfall diese Wahl nicht. Die Letztentscheidung des Gerichts hieß daher nicht: Vincent Lambert darf sterben, sondern er MUSS sterben.
Staat wie Kirche sagen: Wenn jemand stirbt, soll die Medizin nicht unnötig sein Leben verlängern. Vincent war in seinem stabilen Zustand aber nicht sterbend.
Ihn zum Sterben zu zwingen – dazu hatte der Staat nicht das Recht, und nicht der Arzt. Und dem Todesurteil voraus ging die Behauptung, dass das Leben von Vincent nichts mehr wert war. Aber gibt es das wirklich: ein wertloses Leben?
Dr. Michael Prüller ist Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und Geschäftsführer der St. Paulus-Medienstiftung.
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