Wieder nichts: Will sich über lange Zeit kein positiver Schwangerschaftstest einstellen, stürzt das die meisten Paare in eine echte Lebenskrise.
Wieder nichts: Will sich über lange Zeit kein positiver Schwangerschaftstest einstellen, stürzt das die meisten Paare in eine echte Lebenskrise.
Ein Kind zu bekommen, steht für viele Paare auf der Wunschliste ganz oben. Aber was, wenn dieser Wunsch sich nicht erfüllt? Mit der Psychologin Nadja Fritzer sprach der SONNTAG über das Thema Kinderwunsch.
Kinder waren für Johanna M. und ihren Mann immer Thema. „Ich wollte immer eine große Familie“, sagt Johanna: „Am besten drei oder vier Kinder.“
Doch als das junge Ehepaar die Familiengründung „ernsthaft“ angeht, wird rasch klar: Ganz so einfach ist das nicht – denn die Monate vergehen und Johanna wird nicht schwanger.
Schließlich ordnet die Gynäkologin Untersuchungen an, die klären sollen, warum es nicht klappt.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Bei Johanna ist medizinisch „alles in Ordnung“, ihr Mann Stefan jedoch wird „auf natürlichem Weg“ – so die Ärzte – wohl keine Kinder zeugen können. Was folgt, ist eine „unfassbar schreckliche Zeit“, wie Johanna heute sagt: „Traurig, ratlos, verzweifelt – alles auf einmal. Wir stellten auch uns als Paar in Frage.“
„Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, ist das meist eine starke Belastung für das Paar. Nicht selten stürzt es die beiden Partner in eine echte Lebenskrise. Bei vielen waren ja Kinder schon früh Teil des Lebenskonzeptes“, sagt Nadja Fritzer, Klinische- und Gesundheitspsychologin in Wien.
Ist die Ursache der Kinderlosigkeit die Unfruchtbarkeit nur eines Partners, komme es häufig zu Schuldzuweisungen. „Diese kommen aber meist nicht vom ,gesunden‘ Partner, sondern vielmehr handelt es sich um Selbstvorwürfe, Gefühle des Versagens und der Unzulänglichkeit eine ,richtige‘ Frau oder ein ‚richtiger‘ Mann zu sein.
In weiterer Folge will der vermeintlich schuldige Part die Partnerin beziehungsweise den Partner häufig ,freigeben‘, um ihm nicht die Chance auf ein eigenes Kind zu verwehren.“
Problematisch kann es auch sein, wenn es in der Vergangenheit einen Schwangerschaftsabbruch gegeben hat. Dann nämlich können sich die Schuldgefühle anhäufen und verstärken bzw. kann die jetzige Situation als Strafe für den damals gewollten Schwangerschaftsabbruch angesehen werden – es entstehen also irrationale und völlig unbegründete Annahmen.
„Nicht selten sind Begleiterscheinungen wie etwa gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Gedankenkreisen, pessimistische Zukunftstendenzen und Hoffnungslosigkeit bemerkbar.“
„Weil der Wunsch nach einem eigenen Kind meist so groß und beherrschend ist, nimmt das Paar häufig alles in Anspruch, was die moderne Reproduktionsmedizin zu bieten hat“, sagt Nadja Fritzer.
Hinzu kommen oft auch noch alternative Behandlungsansätze. „Das Angebot hierfür ist groß und die Paare klammern sich sprichwörtlich an jeden Strohhalm.“
Oft seien die Paare zudem bezüglich der Möglichkeiten aber auch Grenzen der Reproduktionsmedizin recht blauäugig und überzeugt davon, dass es „gleich“ beim ersten Versuch mittels In-Vitro-Fertilisation (IVF) zu einer Einnistung kommen wird. „Aber abgesehen davon, dass der Weg von der Einnistung bis zur Geburt noch ein weiter ist, beläuft sich die Baby-Take-Home-Rate pro IVF-Versuch auf etwa 28 %.
Dementsprechend groß ist dann die Enttäuschung, wenn sich, trotz aller Bemühungen keine Schwangerschaft einstellt.“
Eine fundierte psychologische Beratung könne da helfen, realistischer an die Sache heranzugehen und die Erfolgschancen besser einschätzen zu können.
Für viele, aber nicht für alle Paare, stelle auch die Adoption eine Alternative dar, so Nadja Fritzer: „Adoption, das ist ja dann noch einmal ein ganz neuer, ganz anderer Weg: Will ein Paar ein Kind adoptieren, müssen gewisse Voraussetzungen wie etwa die psychische, soziale und wirtschaftliche Eignung gegeben sein.
Des Weiteren muss eine Begutachtung durch eine Klinische Psychologin erfolgen.
Dabei werden Aspekte der eigenen Lebensgeschichte, der Umgang mit dem unerfüllten Kinderwunsch und persönliche Krisen sowie Aspekte rund um die Adoption besprochen.
Auch sind psychische Störungen, die sich negativ auf die Versorgung und Erziehung des Adoptivkindes auswirken würden, durch ein klinisch-psychologisches Gutachten auszuschließen.“
Immer wieder finden Paare in die Praxis von Nadja Fritzer, die sich mit dem Problem „unerfüllter Kinderwunsch“ konfrontiert sehen und nach Hilfe aus dieser Lebenskrise suchen.
„Ich hole die Paare dort ab, wo sie gerade stehen. Wobei grundsätzlich gilt, dass mit der psychologischen Betreuung jederzeit begonnen werden kann. Und es gilt natürlich, dass je früher psychologische Hilfe in Anspruch genommen wird, desto rascher kann eine Entlastung herbeigeführt werden.“
Für die Erhaltung beziehungsweise die Wiedererlangung der psychischen Stabilität sei es vor allem wichtig das „(Behandlungs-)Ende“, also die eigene Kinderlosigkeit, zu akzeptieren und in weiterer Folge eben diese Kinderlosigkeit in die eigene Biographie zu integrieren.
„Die bewusste Auseinandersetzung, die ich als Psychologin begleite, fördert die langfristige Bewältigung. Häufig hat sich jahrelang nahezu das ganze Leben um den Kinderwunsch gedreht und alles andere ist in den Hintergrund getreten.
Daher sind im Behandlungsprozess vor allem auch die Stabilisierung der Paarbeziehung sowie die Neustrukturierung des Alltags Thema.“
Das bedeutet, dass gemeinsam alternative Lebenskonzepte entwickelt, Ressourcen gestärkt und gemeinsame Ziele gesteckt werden.
„Häufig setzen die Paare dann ganz bewusst Aktivitäten, wie etwa eine längere Reise, die mit einem Baby nicht machbar gewesen wären.“
Klar sei in jedem Fall: Meistert das Paar gemeinsam diese Herausforderung, findet es oft neue Wege zueinander und sieht die Partnerschaft nicht mehr als etwas Selbstverständliches an, sondern lernt sie mehr wertzuschätzen.
MMag.a Dr.in Nadja Fritzer
Klinische- und Gesundheitspsychologin, Rechtspsychologin
Paare, die keine Kinder bekommen, sind keine Seltenheit. Schätzungen zufolge ist allein in Österreich jedes 7. Paar ungewollt kinderlos. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO gilt ein Paar dann als unfruchtbar, wenn die Frau innerhalb eines Jahres, in dem sie regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte, nicht schwanger geworden ist.
Psychologin MMag.a Dr.in Nadja Fritzer ist – unter anderem – Ansprechpartnerin bei unerfülltem Kinderwunsch oder Kinderwunschbehandlung:
Clementinengasse 24/1/18,
1150 Wien,
Telefon: 0650/32 00 938,
E-Mail: office@psychologin-fritzer.at,
Informationen
zum Thema Adaption auf help.gv.at
Buchtipp:
Was dürfen die Biowissenschaften, was will der umfassende Schutz des Lebens?
bisher erschienene Artikel aus der 9-teiligen Bioethikserie des "SONNTAG"
Prof. Günther Pöltner über den Beginn des menschlichen Lebens, grundlegende Kriterien der Bioethik und die Menschenwürde.
Univ.-Prof. Matthias Beck über die unterschiedlichen Positionen und auch die Gemeinsamkeiten der Religionen im Bereich der Bioethik.
Susanne Kummer, Geschäftsführerin von IMABE spricht über Reproduktionsmedizin
Martina Kronthaler, von der aktion leben österreich, spricht über das Milliardengeschäft "Leihmutterschaft".
Schwerpunkt
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Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien