Kardinal Schönborns Buch zu den Themen von "Schöpfung und Evolution" ist eine Absage an "Evolutionismus" und "Kreationismus". Theologie und Naturwissenschaft widersprechen einander nicht, sondern sind "zwei vernünftige Zugänge zur Wirklichkeit".
"Ziel oder Zufall?" so das Buch von Kardinal Christoph Schönborn zu den Themen von "Schöpfung und Evolution". Das Buch ist im Freiburger "Herder"-Verlag erschienen und wurde von dem Wiener Theologen Hubert Philipp Weber herausgegeben.
Im Vorwort des Buches mit dem Untertitel "Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens" heißt es im Hinblick auf die Frage nach der Entstehung der Welt wörtlich: "Stehen die Antworten des Glaubens und der Wissenschaft in Konkurrenz zueinander? Oder ist ein Miteinander möglich, wo jeder der beiden Zugänge zur Wirklichkeit sein Recht behält?" Ein Motto von Papst Benedikt XVI (Kardinal Joseph Ratzinger) ist dem Buch vorangestellt: "Das christliche Bild der Welt ist, dass die Welt in einem sehr komplizierten Evolutionsprozess entstanden ist, dass sie aber im tiefsten eben doch aus dem Logos kommt. Sie trägt insofern Vernunft in sich".
Herausgeber Hubert Philipp Weber erinnert an das große Echo auf den am 7. Juli 2005 in der "New York Times" erschienenen Meinungskommentar von Kardinal Schönborn mit dem Titel "Finding Design in Nature" (Einen Plan in der Natur finden). Der Wiener Erzbischof habe sich damals kritisch mit Tendenzen auseinander gesetzt, nach denen evolutive Erklärungsmodelle der Welt und des Lebens den christlichen Glauben an die Schöpfung "wegerklären" könnten.
Dieser Artikel habe teilweise "heftig polemische Reaktionen" zur Folge gehabt, schreibt Weber. Zweierlei sei nicht Absicht des Kardinals gewesen: "Einerseits sollte die wertvolle Arbeit vieler ehrlich forscher Wissenschaftler nicht abgewertet werden. Andererseits ist der Kreationismus, also die Ansicht, das erste Kapitel der Bibel sei wörtlich als Bericht und damit nach dem Muster eines naturwissenschaftlichen Textes zu verstehen, keine akzeptable theologische Position". Die Diskussion habe auch positive Folgen gehabt, so Weber: "So erhielt etwa der Dialog von Theologie und Naturwissenschaft einen neuen Motivationsschub. Eines der Probleme des Dialoges ist, dass auf beiden Seiten oft zu wenig Kenntnis von den Positionen des jeweiligen Gesprächspartners vorhanden ist. Oft werden gleiche Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet. Das Gespräch muss damit beginnen, dass die Partner einander zuhören, Fragen stellen und beantworten".
Im Arbeitsjahr 2005/06 habe Kardinal Schönborn die monatlichen Katechesen im Stephansdom dem Thema "Schöpfungstheologie" gewidmet. Aus diesen abendlichen Vorträgen sei das neue Buch entstanden. Als Theologe stelle Schönborn zuerst die Position des Glaubens dar und gehe dabei auch auf solche Fragen ein, die von der Naturwissenschaft herkommen oder mit ihr zusammenhängen. Dabei gehe es ihm nicht darum, bestimmten naturwissenschaftlichen Ergebnissen und Theorien andere gegenüberzustellen. Vielmehr könne man, "wie das Zweite Vatikanische Konzil betont hat, davon ausgehen, dass Theologie und Naturwissenschaft einander nicht widersprechen, denn beide sind vernünftige Zugänge zur Wirklichkeit", so Weber.
Ein Konflikt könne sich dann ergeben, wenn der eigene Bereich überschritten wird: "In diesem Sinne unterscheidet Kardinal Schönborn immer wieder die naturwissenschaftliche Beschäftigung mit der Evolution des Lebens von einer ideologischen Sicht, die von der Evolutionstheorie ausgehend versucht, die Welt insgesamt zu verstehen". Diese Form nenne Kardinal Schönborn "Evolutionismus" und grenze sich bewusst von ihr ab.
In seinem Schlusswort formuliert Kardinal Schönborn, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit naturwissenschaftlichen Fragen auseinander setzt, wie sehr alle wissenschaftlichen Erkenntnisse "staunende Dankbarkeit, Anbetung und Lobpreis" wachsen lassen. Wörtlich schreibt der Wiener Erzbischof: "Vernunft und Liebe sind der Stoff, aus dem die Welt wurde und besteht und vollendet wird. In dieser Gewissheit lohnt es sich zu leben - auch zu sterben. Denn was wäre das für eine Evolution, wenn nicht die Auferstehung und das ewige Leben ihr letztes Ziel wären".