Priester und Moraltheologe Matthias Beck über die Balance zwischen Arbeit und Gebet
Was ist das Zentrum des Christentums?
Beck: Das Zentrum des Christentums ist die Person Jesu Christi. In der Anbindung an ihn und in der Erfüllung des göttlichen Willens soll der Mensch seine innere Zerrissenheit überwinden und zur Fülle seines Lebens gelangen. Er soll aus fünf Talenten zehn machen, also neue Talente hinzugewinnen. So kann sein Leben zur Entfaltung kommen und Früchte bringen. Der Mensch soll mitwirken an der Schöpferkraft Gottes und dabei den Armen, Kranken und Gefangenen nicht vergessen.
Warum ist das Christentum mehr als eine Lehre vom gelingenden Leben?
Beck: Es geht auch um ein glückendes und gelingendes Leben. Aber zum Gelingen dieses Lebens gehört, dass der Mensch sich immer wieder neu überschreiten muss (Pascal: Der Mensch überschreitet den Menschen um ein Unendliches), dass er hineinwachsen muss in seinen göttlichen Auftrag und immer mehr vergöttlicht wird. Dies soll schon in diesem irdischen Leben geschehen und durch den Tod hindurch zur Vollendung bei Gott gelangen.
Wie kann der christliche Glaube zur Lebensentfaltung beitragen?
Beck: Glaube ist nicht das Für-Wahr-Halten von Sätzen, sondern Glaube ist ein dauerndes sich neu Einlassen auf den göttlichen Willen. „Glaube ist Gehorsam“, so hat es H. U. v. Balthasar einmal gesagt. Aber Gehorsam nicht primär einer Über-Ich-Struktur gegenüber (Eltern, Schule, Kirche), sondern dem Wirken des Heiligen Geistes im Inneren des Menschen gegenüber. Dieser Geist hat Autorität, er will den Menschen groß machen und zur Entfaltung kommen lassen. Das ist die Größe des Menschen: Jeder ist ein Tempel des Heiligen Geistes.
Sie verlangen mit der dreidimensionalen Ausbildung viel: Christen sollen sachlich fundiert, ethisch reflektiert und spirituell angebunden sein an die Welt des absoluten Gottes. Geht das überhaupt?
Beck: Ich glaube, dass wir ohne diese Dreidimensionalität die Probleme der Welt in der Politik, der Wirtschaft, der Ökologie sowie in den weltweiten Aufbrüchen und Umbrüchen (auch in der Kirche) nicht mehr lösen können. Das Leben ist höchst komplex, kompliziert und anspruchsvoll geworden, so dass jeder einzelne alle seine Talente und Ressourcen mobilisieren und vermehren muss, um diesem Anspruch des Lebens Genüge zu tun. Sonst wird ihm das eine Talent auch noch weggenommen.
Dabei geht es nicht um eine ständige Leistungssteigerung, sondern um ein je tieferes Hinwachsen in die Wahrheit und in Gott, sowie um das Finden einer guten Balance zwischen Arbeit und Ruhe, Aktivität und Gebet, ora et labora (bete und arbeite) sowie die ignatianische Haltung des contemplativus in actione (betend und betrachtend in der Arbeit).
Matthias Beck Glauben - Wie geht das?Wege zur Fülle des Lebens
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