Im Tatort „Eine Frage des Gewissens“ lügt Kommissar Bootz (links), um seinen Kollegen und Freund Lannert (rechts) zu schützen.
Im Tatort „Eine Frage des Gewissens“ lügt Kommissar Bootz (links), um seinen Kollegen und Freund Lannert (rechts) zu schützen.
Benediktinerpater Maurus Runge hat als Fan und Theologe ein Buch über die Krimi-Reihe Tatort verfasst.
Das Augenpaar eines Mannes – er sieht nach links, nach rechts, gerade aus. Um das rechte Auge schließt sich ein Fadenkreuz. Dann die verschwommene Silhouette eines Mannes, der sich die Hände schützend vor das Gesicht hält.
Rennende Beine auf nassem Asphalt. Weiße Linien formieren sich zu einem Fingerabdruck... Wer kennt ihn nicht den Tatort-Vorspann mit seiner einprägsamen Titelmelodie – für Tatort-Fans das Signal, sich auf 90 Minuten Spannung einzustellen.
Seit mehr als 40 Jahren ist der Tatort eines der erfolgreichsten Formate im deutschsprachigen Fernsehen.
P. Maurus Runge, Benediktinerpater in der Abtei Königsmünster in Meschede (Sauerland) und Jahrgang 1978, sieht die Krimireihe seit seiner Jugend leidenschaftlich gern. Auch als Mönch verfolgt er den Tatort im Kreise seiner Mitbrüder oder in der Mediathek.
Jetzt hat Runge auf Anregung des Bonifatius-Verlages seine Gedanken zum Tatort aus spezifisch christlicher Perspektive zu Papier gebracht. „Oft erst auf den zweiten Blick sehe ich, dass es im Tatort um Themen geht, zu denen auch wir Christen ganz viel zu sagen haben wie z. B. Gerechtigkeit, Opfer oder Liebe“, sagt P. Maurus im Gespräch mit dem „Sonntag“.
„Mir ist es seit langem ein großes Anliegen Themen aus der Popularkultur – wie Kino, Literatur, Popmusik und eben auch aus Fernsehserien – zu finden, wo es um Spiritualität in einem weiten Sinne geht, um Lebensthemen von Menschen wie Gerechtigkeit, Liebe oder Freundschaft.
Das sind Themen, auf die früher die Kirchen das Monopol hatten, die aber heute in die moderne Kultur ausgewandert sind“, führt der Theologe aus.
Einmal im Jahr bieten die Benediktiner von Königsmünster „Filmexerzitien“ an, ein Exerzitienformat, das dezidiert mit Kinofilmen arbeitet.
In seinem Buch „Treffpunkt Tatort“ beleuchtet P. Maurus Runge Tatort-Folgen, die ihn besonders beeindruckt haben und verbindet ihre Geschichten mit biblischen Motiven und Themen aus der christlichen Spiritualitätsgeschichte.
So greift er den Stuttgarter Tatort „Eine Frage des Gewissens“ auf, in der sich Kommissar Lannert gezwungen sieht, einen Geiselnehmer zu erschießen. Sein Kollege und Freund Bootz sagt in der Folge die Unwahrheit, um Lannert zu schützen, obgleich er die Schussabgabe nicht gesehen hat.
„Darf man für einen Freund lügen? Wie verhält sich das Gewissen zu Gesetzen und Verboten?“, sind Fragen, die der Autor stellt und hier anhand des Lukas-Evangeliums und Gedanken von John Henry Newman zu beantworten versucht.
Der Erfolg des Tatort liege darin, dass er Geschichten erzähle, so P. Maurus Runge: „Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus ein guter Drehbuchautor für den Tatort wäre.
Er würde das machen, was ein guter Autor macht: wahrnehmen, was die Menschen bewegt, wie sie leben, um dann Geschichten aus diesem Leben zu erzählen.“
Benediktinerpater Maurus Runge
Abtei Königsmünster in Meschede
Greift Themen aus der Popularkultur auf
Maurus Runge
2015, Bonifatius
Flexibler Einband
116 Seiten
ISBN: 978-3-89710-621-5
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
Weitere Informationen zu "Der Sonntag" die Zeitung der Erzdiözese Wien