P. Adrian Kunert war sechs Jahre lang Jugendkaplan in Wien, verbrachte ein Jahr in Australien und ist seit 2007 in Berlin tätig.
P. Adrian Kunert war sechs Jahre lang Jugendkaplan in Wien, verbrachte ein Jahr in Australien und ist seit 2007 in Berlin tätig.
Ein junger Mann verliert seinen Kinderglauben und stürzt in eine Krise. Er sucht, ringt, fragt um Hilfe und wird schließlich fündig. In dieser Romangeschichte hat der Jesuit Adrian Kunert seine eigene Sinnsuche aufgearbeitet. Ein Interview des "SONNTAG".
DER SONNTAG: Megild, die Hauptfigur ihres Romans „Die im Lehmhaus wohnen“, erlebt eine tiefe Sinnkrise. Mit dem Glauben seiner Kindheit kann er nichts mehr anfangen, neuen Glauben hat er (noch) nicht gefunden. Haben Sie selbst eine solche Krise erfahren?
ADRIAN KUNERT: Das Buch ist im Kern eine Autobiographie, äußerlich gibt es allerdings nur einige wenige Ähnlichkeiten – etwa die Vorliebe für Tee und Musik von Wagner.
Die Krise, die Megild erlebt, habe ich selbst im zarten Alter von 14 bis 18 in zwei bis drei Schüben erlebt. Auch die Art, wie Megild damit umgeht, spiegelt mein Verhalten damals wider.
Was empfehlen Sie Menschen, die ihren Glauben verlieren, die alles als „sinnlos“ empfinden?
ADRIAN KUNERT: Wenn man plötzlich alles als sinnlos erlebt, scheint das eine neue mächtige Erkenntnis.
Dabei ist es meist nur die Enttarnung einer Illusion über Gott.
Wichtig wäre es hier – wie Megild es im Buch tut –, das Gespräch zu suchen, mit geislichen Menschen in Klöstern oder auch mit der Gemeinde.
Das habe ich damals nicht getan und ich glaube, deshalb habe ich zwei bis drei Jahre länger Probleme gehabt. Diese Zeit hätte ich effektiver und nützlicher verwerten können.
In Ihrem Buch schreiben Sie, man müsse Gott vor allem mit dem Herzen und weniger mit dem Kopf suchen. Warum meinen Sie das? Und wie geht das?
ADRIAN KUNERT: Der Mensch sucht ja immer nach dem Ort, wo er wirklich hingehört, wo seine eigentliche Heimat ist.
Diesen Ort kann man nicht „wissen“, sondern nur erspüren. Der Kopf, die Vernunft ist wichtig, um unnötige Irrwege zu vermeiden, aber er kann mir nicht sagen, wo mein Herz zuhause ist.
Das ist ja auch der Grund, warum beim Doppelgebot in der Bibel steht: „Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben, von ganzem Herzen, ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.“ (Mk 12,29f).
Wir haben das in unserer Kirche leider oft umgedreht und das Herz über der Lehre vergessen.
Gott redet oft zu uns über seine Gefühle – in den Psalmen zum Beispiel, aber auch sonst. Diese Gefühle gilt es im Gebet zu entdecken. Denn Liebe ist ja nichts, was sich nur in der Vernunft abspielt.
Die Gemeinde, in der Megild Heimat findet, ist eine Vorzeigepfarre: Sie hat ein Mehrgenerationenhaus eingerichtet, betreibt ein Geschäft mit regionalen Produkten vom Biobauern, setzt auf erneuerbare Energie, die Mitglieder bringen ihre Ressourcen stark ein. Kennen Sie solche Gemeinden oder ist das Ihre Wunschvorstellung?
ADRIAN KUNERT: Diese Pfarre ist eine Zusammenführung aus Erfahrungen, die ich in der Kirche gemacht habe.
Die beschriebenen Sonntagsgottesdienste und Jugendwochenenden habe ich so in meiner Heimatgemeinde Dessau unter dem Kaplan Nachtweih erlebt. Die nächtlichen Gespräche habe ich bei Kaplan Hartmann kennengelernt.
Das Mehrgenerationenhaus mit der ganzen Struktur herum habe ich zum Teil in einer Gemeinde in Frankfurt am Main erlebt, dann auch in Projekten in Österreich, wo ich leider selber nicht mitleben konnte.
Es ist jedenfalls eine Wunschvorstellung von mir. Denn in solche Gemeinden kann man Menschen integrieren, die sich neu taufen lassen, sei es aus dem Heidentum, sei es aus dem Islam heraus, damit sie eine Heimat haben.
Sie schreiben von der Kommunion gerade auch als Stärkung für die Zweifler und alle, denen es nicht gut geht. Sie zitieren Ambrosius, der sie nicht als „Belohnung für die Gerechten, sondern Arznei für die Kranken“ sieht. Wird das nicht meist anders gehandhabt?
ADRIAN KUNERT: Das Problem, das wir heute oft haben ist, dass Menschen erst kommen dürfen, wenn sie diese und jene Moralvorstellungen erfüllen.
Das ist aber nicht die Handlungsweise Jesu. Er lädt die Leute ein, selbst Judas, der ihn verraten würde, weil er um die heilende Kraft dieses Sakramentes weiß.
Was war für Sie die Motivation, dieses Buch zu schreiben? An wen richtet sich „Die im Lehmhaus wohnen“?
ADRIAN KUNERT: Das Buch habe ich geschrieben, um jungen Menschen auf ihrem Weg zu einem verantwortetem Glauben einige Hilfsmittel an die Hand zu geben, indem ich Themenfelder anschneide, die auf dem Glaubensweg Probleme bereiten können.
Ich will vor allem auch ermuntern auf Zweifel – die ja gut sind – zu hören, damit diese nicht zu Grübeleien – die ich für schlecht halte – werden.
Zweifel zeigen oft Inkonsistenzen, also Widersprüchlichkeiten oder Unbeständigkeiten in meinem Glauben auf.
Mit diesen kann man durch Gespräche, Gebete etc. in angemessener Weise umgehen.
Grübeleien aber führen zu nichts, weil sie nicht auf Gott hin ausgesprochen sind und nicht zum Nächsten. Da kann nur Mist draus werden.
„Die im Lehmhaus wohnen“ richtet sich an junge Erwachsene, die nach Gott suchen, aber auch etwas für das Hirn brauchen. Ein Mitbruder umschrieb das Buch als „Katechismus in Romanform“.
Katechismus in Romanform
Jesuitenpater Adrian Kunert beschreibt die innere und äußere Wallfahrt des jungen Megild. Der hat seinen christlichen (Kinder)Glauben verloren und stürzt in eine existentielle Krise. Auf seiner Suche nach dem verlorenen Urgrund seines Lebens lernt er die Grundbegriffe des christlichen Glaubens ganz neu zu durchdenken und, was Gebet wirklich ist.
Adrian Kunert
Wallfahrt seiner Seele
2014, Books On Demand
Auflage: 1. Auflage
Flexibler Einband
328 Seiten
ISBN: 978-3-7386-0338-5
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
P. Adrian Kunert stellt sein Buch bei einer Lesung in Wien vor. Drei Kapitel seines Werkes wird er zu Gehör bringen, dazu Gesänge aus seinem Liederbuch „X-Praise“.
Wann? Samstag, 9. April, 19.30-20.30 Uhr
Wo? Pfarre Lainz-Speising, Kardinal-König-Platz 2, 1130 Wien
P. Adrian Kunert P. wurde in der DDR geboren und trat mit 21 Jahren in den Jesuitenorden ein. Sechs Jahre war er Jugendkaplan der Pfarre Lainz-Speising in Wien. Seit dem Ende seines Tertiats in Australien ist er in Berlin tätig.
www.adrian-kunert.com
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien