Unsere Kirche war und ist lernfähiger, als sie bisweilen erscheint.
Unsere Kirche war und ist lernfähiger, als sie bisweilen erscheint.
Michael Seewald, jüngster Theologieprofessor in Deutschland, legt ein nachdenkliches Buch zum Thema Kirchenreform vor.
Für Sie gelesen von Stefan Kronthaler.
Heißblütigen Kirchenreformern kann eine Abarbeitung der Liste der kirchlichen Reformaufgaben nicht schnell genug gehen. Eher kaltblütige Bewahrer versuchen bei jeder Gelegenheit, mit dem Hinweis auf die vermeintliche Tradition, zu bremsen, wo es nur geht.
Einen goldenen Weg der Mitte beschreitet der Münsteraner Dogmatikprofessor Michael Seewald in seinem Buch „Reform – Dieselbe Kirche anders denken“.
Er zeigt, dass unsere Kirche immer eine lernfähige Kirche war und ist. Seewald geht von drei Weisen dogmatischer Entwicklung aus.
Ein Beispiel für den Autokorrekturmodus („Selbstkorrektur“) ist die Haltung zur Todesstrafe. So hat Papst Franziskus 2018 den Katechismus der Katholischen Kirche im Blick auf die Todesstrafe konkret verändert. Nunmehr ist die Todesstrafe „unzulässig, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt“ (KKK 2267; neu).
Der Obliviszierungsmodus (lat. „oblivisci“, „vergessen“) zeigt sich bei der früher vieldiskutierten Frage des Monogenismus (Lehre von der Abstammung von einem Menschenpaar). Diese Überlegungen wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts mehr und mehr in kirchlichen Dokumenten „vergessen“.
Beim „Innovationsverschleierungsmodus“ wiederum zeigt sich beispielsweise anhand der Religionsfreiheit, dass das kirchliche Lehramt seine Position stillschweigend veränderte und so tat, als ob das, was es erst seit kurzem lehrte, schon immer gelehrt hätte.
Mein Fazit:
Unsere Kirche war und ist lernfähiger, als sie bisweilen erscheint. Das ist zugleich auch tröstlich. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
Michael Seewald
Reform
– Dieselbe Kirche anders denken
Herder-Verlag
176 Seiten
ISBN: 978-3-451-38349-6
20,60 Euro
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