Martina Greiner-Lebenbauer, Theologin, Pastoralassistentin und Bibliodramaleiterin. Leitung der Stabsstelle seit April 2012.
Martina Greiner-Lebenbauer, Theologin, Pastoralassistentin und Bibliodramaleiterin. Leitung der Stabsstelle seit April 2012.
Die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz der Erzdiözese Wien im Gespräch.
Bitte schildern Sie, wie die Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz der Erzdiözese Wien arbeitet.
Die Stabsstelle steht im Bereich der Prävention allen MitarbeiterInnen in Pfarren, Dienststellen, Orden und Einrichtungen kostenfrei für Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen zur Verfügung. Die Aufgabe der Stabsstelle ist die Sensibilisierung für die Themenbereiche „Nähe und Distanz“, „verantwortungsvoller Umgang mit Macht“ und „Verhinderung von (sexualisierter) Gewalt“. Diese Sensibilisierung erfolgt über Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen, die wir in den unterschiedlichen Ausbildungen, ebenso wie in Pfarren und Bildungseinrichtungen abhalten. Eine Sensibilisierung erfolgt auch über die Öffentlichkeitsarbeit. Auf unserer Homepage www.hinsehen.at stellen wir Behelfe, Handouts und eine Vielfalt an Informationen zur Verfügung. Die Assistentin der Stabsstelle, Fr. Mag.a Christiane Babinetz betreut die Facebook-Seite unserer Stabsstelle. Natürlich sind wir auch bei Ereignissen wie dem PGR-Startfest in Großrußbach oder bei der „Langen Nacht der Kirchen“ präsent. Wichtig sind uns auch die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch mit nichtkirchlichen Präventionseinrichtungen und die Zusammenarbeit mit der Ombudsstelle sowie den Stabsstellen der anderen Diözesen. In unserer Arbeit werden wir regelmäßig von einem Beirat unterstützt. Dieser setzt sich aus VertreterInnen aus dem Kinder- und Jugendpastoralbereich, der katholischen Kindertagesheimeinrichtungen, der Männer- und Frauenorden, dem Schulamt, der ARGE Ausbildungsstätten, dem Personalreferat, der Stabsstelle Priesterbegleitung, der Caritas und dem Referat Förderung geistlichen Lebens zusammen.
Wie kann man sich selbst oder Kinder aus Ihrer Sicht vor sexuellen Übergriffen oder Gewalt schützen und was kann man in kirchlichen Einrichtungen, Pfarren, Jugendgruppen, usw. tun, damit es gar nicht erst zu sexuellem Missbrauch und Gewalt kommt?
Wenn wir wirksam Präventionsarbeit betreiben wollen, dann müssen wir auf 3 Ebenen ansetzen: die unterste, breiteste Ebene ist die Gesellschaft, dann kommt das soziale Umfeld und zuoberst die Person. Grundsätzlich geht es darum, dass wir miteinander respektvoll und wertschätzend umgehen und diesen Umgang immer wieder reflektieren. Ich nenne hier einige Beispiele: Kinder und Jugendliche stärken wir, indem wir sie ermutigen ihren Gefühlen zu trauen und Nein zu sagen. Gleichzeitig ist es wesentlich, dass wir sie in ihren Bedürfnissen ernst nehmen und sie v.a. in den Bereichen, die sie betreffen, mitbestimmen lassen. Kinder und Jugendliche brauchen aber auch Erwachsene, die sie v.a. gegen sexuelle Übergriffe schützen. Denn ein Kind oder Jugendlicher hat kaum eine Chance, sich gegen einen Täter zu wehren. Das soziale Umfeld zu sensibilisieren heißt, Angebote für die gewaltfreie Erziehung zu setzen oder in GruppenleiterInnensitzungen die eigene Arbeit zu reflektieren und pädagogische Aus- und Weiterbildungen in Anspruch zu nehmen. Auf der gesellschaftlichen Ebene hat sich in den letzten 20 Jahren einiges getan: die Ratifizierung der Kinderrechte oder die Gewaltschutzgesetze. Natürlich braucht es noch viele kleine und große Schritte auf allen 3 Ebenen, damit z.B. die verbale sexualisierte Gewalt von Lehrern gegenüber Schülerinnen immer weniger als „Kavaliersdelikt“ durchgeht.
Wenn nun ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch besteht, wie ist da am besten vorzugehen?
So schwer es fällt – aber wichtig ist, dass zunächst einmal Ruhe bewahrt wird. Und dann ist es ratsam, den Verdacht mit einer Person – innerhalb eines Teams oder mit der/dem PGR-Präventionsbeauftragte/n – zu besprechen. Es ist gut, sich auch an eine Beratungseinrichtung – wie z.B. die diözesane Ombudsstelle oder die Kinder- und Jugendanwaltschaft - zu wenden. Dort können weitere Schritte abgeklärt und auch persönliche, emotionale Unterstützung geholt werden. Grundsätzlich empfehle ich bei Situationen, die mir komisch vorkommen, ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Auf der Homepage finden sie unterhttp://www.hinsehen.at/downloads/Verdacht.pdf einen Handlungsleitfaden.
Wie unterstützt nun die Kirche konkret Opfer von sexuellem Missbrauch?
In der Erzdiözese Wien gibt es bereits seit 1996 die Diözesane Ombudsstelle, an die sich alle Betroffenen, aber auch die Angehörigen von Betroffenen wenden können. Sie können dort – oft erstmals – ihre Leidenserfahrungen erzählen und auf Wunsch bekommen sie Psychotherapie oder auch eine finanzielle Unterstützung. Es gibt aber auch Einrichtungen wie z.B. die Telefonseelsorge, wo man anonym über etwaige sexuelle Übergriffe sprechen kann.
Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz
Martina Greiner-Lebenbauer
Stephansplatz 6/6/618a, 1010 Wien
Telefon: +43 1 51 552-3879 oder +43 664 51 552 43
E-Mail: hinsehen@edw.or.at
Webseite: www.hinsehen.at