Wir sollten uns besinnen, was wir uns selber, anderen und der Natur antun. Und das alles für irgendwelche Euro, die uns insgesamt nicht weiterhelfen.
Wir sollten uns besinnen, was wir uns selber, anderen und der Natur antun. Und das alles für irgendwelche Euro, die uns insgesamt nicht weiterhelfen.
Als Klimaforscherin und unermüdlich warnende Stimme für den Schutz von Umwelt und Atmosphäre ist Helga Kromp-Kolb vielen bekannt. Im SONNTAG-Interview spricht sie über den Advent, Stolpersteine und wahren Erfolg im Leben.
SONNTAG: Wie begehen Sie und Ihr Mann, Risikoforscher Wolfgang Kromp, den Advent?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Wir haben einen Adventkranz auf dem Tisch stehen und laden Freunde zum Adventsingen ein. Wir versuchen den Advent als stillere Zeit zu begehen – bis jetzt gelingt uns das noch nicht, aber wir versuchen es.
Der Advent ist ein Anlass zur Besinnung und zur Zurückhaltung. Das ist ein schöner Gedanke und es ist eine sehr schöne Zeit.
Das Forschen beginnt oft mit dem Staunen. Hat Sie das Staunen zur Wissenschaft gebracht?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Es war sicher ein Aspekt des Staunens dabei, aber im Grunde genommen war es die Liebe zur Natur. Die Natur hat mich begeistert und das Verständnis für das, was da um mich herum ist, war die Triebkraft.
Wie haben Sie sich dazu entschlossen, Meteorologie zu studieren?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb:Im letzten Schuljahr war für mich gar nicht klar, wie es danach weitergehen soll. Ich wollte gerne mit Menschen arbeiten, in der Pflege oder als Kindergärtnerin. Und ich habe mich für Mathematik und Naturwissenschaften interessiert.
Wie ich zur Entscheidung gekommen bin, weiß ich nicht, aber letztlich bin ich bei der Meteorologie gelandet. Das hatte sicher auch damit zu tun, dass dort sehr wenige Studierende waren und es daher ein viel persönlicheres Studium war.
Als Meteorologin waren Sie ziemlich allein unter Männern. Wie ging es Ihnen damit?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb:Bei Veranstaltungen lautete die Begrüßung oft „meine Dame, meine Herren“. Da wurde sehr deutlich, dass das kein normaler Berufsweg für eine Frau ist. Mir selbst ist das immer erst aufgefallen, wenn jemand darauf hingewiesen hat.
Allerdings habe ich später – außerhalb der Universität – erfahren, dass es doch Ressentiments gegenüber Frauen als Abteilungsleitern gibt. Aber das hat mich nie besonders berührt. Für eine Gefahr in der Genderdiskussion halte ich es, wenn Frauen jeden Misserfolg ihrem Frausein zuschreiben. Dann verliert man die Fähigkeit zur Selbstkritik und das ist problematisch.
Was waren Stolpersteine auf Ihrem Weg und wie ist es Ihnen gelungen, trotzdem weiterzugehen?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Mein allererster Stolperstein war eine verpatzte Mathematikprüfung während des Studiums. Ich habe das nicht gekannt, dass ich bei einer Prüfung durchfalle, und das hat mich sehr betroffen gemacht.
Auch meine Habilitation hat länger gebraucht, als ich mir das vorgestellt hatte. Teilweise lag das daran, dass ich etwas Nützliches, das die Gesellschaft brauchen kann, machen wollte. Das ist an den Universitäten nicht selbstverständlich, zumindest in den Naturwissenschaften.
Seit vielen Jahren warnen Sie vor den negativen Folgen des Klimawandels. Wie könnte Leben aussehen, dass dem Klima nicht schadet?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Es ist ein Leben mit viel weniger Dingen und dafür mehr Zeit, mehr Freunden und Familie, Zeit für Kultur, Bildung und Natur. Ein genügsameres Leben, in dem wir mehr Befriedigung in unserem Tun finden.
Wir haben ein Wirtschaftssystem, das wachsen muss, um einigermaßen stabil zu bleiben. Jeder muss immer mehr leisten. Das entspricht nicht dem menschlichen Wesen und der Natur.
Wenn wir das System verändern, könnte die Qualität des Lebens steigen. Der Klimawandel könnte Anlass sein, etwas zu ändern. Das kommt in der Enzyklika („Laudato si“, Anm.) des Papstes sehr schön heraus.
Wir sollten uns besinnen, was wir uns selber, anderen und der Natur antun. Und das alles für irgendwelche Euro, die uns insgesamt nicht weiterhelfen.
Haben Sie manchmal bereut, diesen Beruf gewählt zu haben?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Ganz gleich, welchen Beruf ich ergriffen hätte, mein persönliches Engagement wäre das Gleiche gewesen. Vielleicht hätte ich mich nicht immer mit negativen Sachen beschäftigt – mit der Schadstoffausbreitung, der Ozonzerstörung, den Auswirkungen radioaktiver Substanzen, dem Klimawandel. Das hat sich so ergeben, aber ich glaube, man steuert auch selber mit. Ich habe wohl dort angepackt, wo es am notwendigsten war.
Welche Erkenntnis Ihres Lebens möchten Sie gerne weitergeben?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Wenn man vor einem Problem steht, das man nicht lösen kann – zum Beispiel: will ich Atomenergie oder Klimawandel? –, dann ist meistens die Frage falsch gestellt. Man muss einen Schritt zurück gehen oder die Sache von einer höheren Ebene aus betrachten, dann erkennt man, dass es mehrere Alternativen gibt. Lösungen findet man oft, wenn man ganz anders denkt.
Ein Zweites habe ich in den letzten Jahren gelernt: Freude ist eine viel größere Motivation als Angst oder Ärger. Das sollte man sich zunutze machen und sich überlegen, wie kann ich freudvoll gestalten, was ich meine tun zu müssen.
Noch ein Drittes: Ich bin sehr gut damit gefahren, dass ich meinen Überzeugungen treu geblieben bin. Das heißt nicht, dass sie sich nicht verändern und man dazulernt, aber, dass man nie gegen das handelt, was man zu diesem Zeitpunkt für richtig hält.
Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich in den Spiegel schauen kann. Ich möchte sagen können: Ich habe getan, was ich konnte.
Das wird nicht reichen, um die Welt zu retten, aber das muss ich auch nicht alleine.
Ich muss nur sagen können, ich habe meinen Teil getan. Wenn Menschen das am Ende ihres Lebens sagen können, dann war es ein erfolgreiches Leben.
Klimaforscherin Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb
hätte sich auch vorstellen können, in der Pflege oder als Kindergärtnerin zu arbeiten.
Wenn man vor einem
Problem steht, das man nicht lösen kann, dann
ist meistens die Frage
falsch gestellt.
Staunen und Wissen
Eine Sendereihe zum Advent auf radio klassik Stephansdom.
Jeden Montag um 17.30 Uhr.
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im Podcast, Kategorie Perspektiven,
Nachzulesen im SONNTAG.
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Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien