Dass der Handel Lebensmittel wegwirft, gehört verboten, findet Walter Albrecht. Denn die Speisen sind oft noch lange nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum genießbar.
Dass der Handel Lebensmittel wegwirft, gehört verboten, findet Walter Albrecht. Denn die Speisen sind oft noch lange nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum genießbar.
Als Müllmann sah Walter Albrecht täglich Berge von Essen im Mist. Das kann nicht richtig sein, dachte sich der Wiener und begann, etwas dagegen zu tun. Eine Inspiration zum Welternährungtag.
Walter Albrecht sitzt in seiner Garage im 10. Bezirk. Das Tor ist heute zu, es ist ein kalter Tag. Ein Auto steht hier nicht, dafür mehrere Fahrräder. An den Wänden sind Getränkeflaschen gestapelt, zwei Kühlschränke summen leise, in einem Regal türmt sich Gebäck.
Walter Albrecht wartet. Er wartet auf Menschen, die sich Essen holen, das er vor der Mülltonne gerettet hat. „Heute ist nicht mehr viel da“, sagt er. Gleich nach der Arbeit ist der Müllmann mit seinem Lastenfahrrad zu einem Hotel gefahren und hat dort übrig gebliebene Speisen abgeholt, die sonst weggeworfen werden würden. „Cevapcici, Salate, Joghurt und Backwaren.“ Das meiste davon wurde aus Albrechts Garage schon abgeholt.
Es klopft. Walter Albrecht fährt das Garagentor hoch und begrüßt eine junge Frau. Sie entrollt ein Stoffsackerl, packt einige Semmeln und Kräuter hinein und nimmt eine Packung Paradeissalat aus dem Eiskasten. „Meistens nehm’ ich Gemüse mit“, sagt die Studentin, „mir geht‘s vor allem um die Umwelt, aber ich komme auch hierher, weil ich sparen muss.“
Die einen haben kaum genug, die anderen schmeißen es weg.
Walter Albrecht hatte gerade angefangen, bei der Müllabfuhr zu arbeiten, als er kurz nach Weihnachten in einem Müllraum einen Christbaum entdeckte. Der Baum war behangen mit Kugeln und jeder Menge Schokolade. „Ich hab’ mir gedacht: Was ist denn das für eine Verschwendung?“, erinnert sich Albrecht, „dieses Schlüsselerlebnis verfolgt mich bis heute.“
Im Internet fand er die Initiative „food-sharing“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten. Walter Albrecht schloss sich an und richtete in seiner Garage einen Fairteiler ein, einen Kühlschrank und ein Regal, wo Lebensmittel kostenlos geteilt werden.
Täglich holt er bei Betrieben Essen ab, bringt es in seine Garage und gibt im Internet bekannt, wann man es abholen kann.
Dass der Handel Lebensmittel wegwirft, gehört verboten, findet Walter Albrecht. Denn die Speisen sind oft noch lange nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum genießbar. Das hat Albrecht selbst erst durch foodsharing gelernt. „Davor hab’ ich mich streng nach dem Datum gerichtet und gedacht, Schlag Mitternacht wird das schlecht.“
Heute weiß er es besser und lebt von Essen, das ohne ihn im Mist landen würde. „Ich find’s total arg, dass man Lebensmittel erzeugt, durch die halbe Welt karrt oder fliegt, dass in großem Stil Tiere getötet werden, und dann soviel weggeschmissen wird. Das kann ethisch nicht vertretbar sein.“ Zur Entsorgung der Lebensmittel muss übrigens viel Energie aufgewendet werden, weiß der Müllmann.
Zwei ältere Damen haben die Garage betreten, beide gehören zu Albrechts Stammkundschaft. Sie danken und ziehen mit gefüllten Taschen heimwärts. „Es ist schön, wenn die Menschen im Fairteiler vorbeischauen und einem sagen, dass es etwas Gutes ist, was man da macht“, freut sich Walter Albrecht.
Wenn möglich, ist er jeden Tag da. „Ich hab’ das Glück, dass ich einen leiwanden Job und ab 14 Uhr frei hab’. In meiner Freizeit kann ich dem Foodsharing nachgehen und so der Gesellschaft von meinem Glück ein bisserl was zurückgeben.“
Unser Rezepttipp zum Thema "Kochen mit altem Brot": Pikaten Linsentarte
foodsharing – Fairteiler
• Lebensmittel retten und teilen kann jede/r, die Garage, das Geschäft oder die Pfarre kann zum Fairteiler werden.
Info: foodsharing.at
Le+O – Erntedanksammlung
• Die Caritas ruft bis 23. Oktober zur großen Erntedanksammlung für armutsbetroffene Menschen in Österreich auf.
Nähere Infos: www.caritas-leo.at
Wiener Tafel
• Die Wiener Tafel rettet täglich rund drei Tonnen Lebensmittel und versorgt damit 18.000 Armutsbetroffene.
Info: wienertafel.at
Ein Rezept gegen die Lebensmittelverschwendung aus dem Buch Kochen mit Brotresten
Weitere Informationen zu
T +43 (1) 512 60 63
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien