Donnerstag 9. Januar 2025
Artikel aus dem Archiv

Interreligiöses Lernen am Beispiel von Peugeot/Citroen

(14.01.2013) Religionspädagoge Martin Jäggle und Tarafa Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft vermittelten in Konflitsituation.

Von einem beeindruckenden Beispiel für interreligiöses Lernen berichtete der Wiener Religionspädagoge Martin Jäggle am Freitag, 11. Jänner 2013, bei der Pastoraltagung über "Migration und Integration" in Salzburg: Gemeinsam mit Tarafa Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft wurde der im interreligiösen Dialog versierte Theologieprofessor vor rund zwei Jahren von der Firmenleitung von Peugeot/Citroen in Spillern (NÖ) gebeten, in einem schwelenden Konflikt zu vermitteln.

 

Die Erlaubnis der Unternehmensführung, dass muslimische Mitarbeiter ihrem Pflichtgebet während der Arbeitszeit nachkommen dürfen, hatte den Unmut der Einheimischen unter der Belegschaft zur Folge. Jäggle und Baghajati halfen beim Aushandeln einer Lösung, die allen Interessen Genüge tat (und die sich für die Österreicher meist in Form einer Zigarettenpause konkretisierte).

Jäggle habe den Arbeitern daraufhin - wie er erzählte - gratuliert, mit ihrer Lernbereitschaft die Geschichte des sich oft in blutigen Religionskonflikten verzettelnden Europas ein Stück "neu zu schreiben".

 

Lernchancen überwiegen

Konvivenz - das Zusammenleben in kultureller und religiöser Verschiedenheit - bedeute nicht Konfliktlosigkeit, betonte Jäggle. Aber auch wenn Diversität oft als Störung empfunden werde, überwiegen die Lernchancen. Gerade Österreicher setzten Freiheit oft gleich mit "in Ruhe gelassen werden", das wolle er als Mitglied einer Kirche, die zu Pfingsten ihr Geburtsfest des Verstehens der Verschiedenheit nicht "religiös legitimieren". Migration hilft dabei, so Jäggle, die Fiktion gesellschaftlicher Homogenität zu entlarven und auch religiöse Pluralität als Geschenk Gottes anzuerkennen.

 

Das in die Gesellschaft einzubringen, wäre eine wichtige Aufgabe der Religionsgemeinschaften, gerade in einer Zeit, da das Gemeinwohl zunehmend ökonomischen Interessen geopfert werde. Das produziere Modernisierungsverlierer, warnte der Theologe, die dann auf die "geschichtliche Erblast" des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit zurückgriffen.

 

Österreichs Bildungssystem versagt

Scharfe Kritik übte Jäggle am österreichischen Bildungssystem, das laut zahlreichen Studien soziale Ungleichheit reproduziere. Diese "Minderleistung" verletze das Recht auf Bildung gerade auch von Zugewanderten. Viel stärker müsse berücksichtigt werden, dass Mutterspracherwerb eng verknüpft mit der Intelligenzentwicklung sei. Dass eine katholische Schule in Salzburg ihren Schülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch auferlegte, in den Pausen ausschließlich Deutsch zu sprechen, so Jäggle: "Und die Schule darf sich weiterhin 'katholisch' nennen."

Menschen neigen zu "Sippenliebe" und gleichzeitig zu Fremdenliebe - also zu Liebe mit begrenzter Reichweite, sagte Jäggles Kollegin am Wiener Institut für Praktische Theologie, die Pastoraltheologin Regina Polak. Ein Kontrast dazu sei die biblische Vision vom Reich Gottes. Jesus habe dieses oft mit einem Festmahl verglichen, die dort versammelte Tischgemeinschaft würde "soziale Ungleichheiten hinwegfegen", und niemand gelte dort als Fremder.

 

Polak beschloss die methodisch innovative "Doppelconference" mit Jäggle mit einem sowohl im Koran als auch in der mittelalterlichen Theologie vorfindlichen Grundsatz: Gott hat die Menschen in Verschiedenheit erschaffen, damit sie wachsen können in Liebe, Demut und Einheit.

Gottesdienste
Finden Sie Gottesdienste in Ihrer Umgebung
Radio Vatikan
ERZDIÖZESE WIEN
Wollzeile 2
1010 Wien
Tel.: +43 1 51552 - 0

webredaktion@edw.or.at

Impressum
Datenschutzerklärung
Cookie-Einstellungen
https://www.erzdioezese-wien.at/
Darstellung: Desktop - Mobil