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Militär-Bischofsvikar Freistetter: Heer ist Teil europäischer Sicherheitspolitik

(16.01.2013) An den Außengrenzen Europas sind zahlreiche Krisenherde. Die Wehrpflicht muss gut begründet werden.

Die Kernaufgabe des Bundesheeres liegt darin, "seinen Beitrag im Rahmen der umfassenden europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu leisten". Das hat Militär-Bischofsvikar Werner Freistetter in einem Interview für die österreichischen Kirchenzeitungen betont. Österreich sei zwar von friedlichen Nachbarn umgeben, an den Außengrenzen Europas beziehungsweise der EU gebe es aber zahlreiche wirtschaftliche, soziale oder politische Krisenherde.

 

Solidaritätsverpflichtung in der EU

Wie Freistetter sagte, habe sich mit dem EU-Beitritt und dem Ende des Kalten Krieges auch Österreichs Neutralität gewandelt: "Innerhalb der EU gilt die Solidaritätsverpflichtung im Rahmen der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und des gegenseitigen Beistandes bei Angriffen von außen."

Auch gegenüber der UNO habe Österreich seinen Neutralitätsvorbehalt aufgegeben. Das bedeutet, Österreich könne - vorausgesetzt, das Parlament stimmt zu - an EU- und UNO-Missionen auch mit militärischen Kräften teilnehmen. Die Neutralität beziehe sich nur noch auf die militärische Nichteinmischung Österreichs in Kriege zweier Staaten, erläuterte der Militär-Bischofsvikar.

 

Gute Begründung für Wehrpflicht nötig

Aus der Zielsetzung, einen effektiven, glaubwürdigen und angemessen Beitrag zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu leisten, lasse sich allerdings nicht zwingend ableiten, ob man dafür ein Heer mit allgemeiner Wehrpflicht oder ein Berufsheer braucht, so Freistetter: "Wir absolvieren seit vielen Jahren internationale Einsätze, an denen mehrheitlich nicht Berufs-, sondern Milizsoldaten, also ehemalige Wehrdiener, beteiligt sind. Und wir haben uns dabei einen guten Ruf erworben." Wichtig sei, dass die Soldaten und die Führungskräfte gut vorbereitet und ausgestattet sind.

Andererseits müsse man die Wehrpflicht, "die ja ein massiver Eingriff in Freiheitsrechte ist", gut begründen können, forderte der Militärgeistliche: "Der Hinweis auf den Katastrophenschutz oder die fehlenden Zivildiener reicht da nicht aus, denn daraus würde sich eine Wehrpflicht noch nicht ausreichend begründen lassen."

 

Umfassender Sicherheitsbegriff

Sicherheit sei auch längst nicht mehr nur eine militärische Frage, so der Leiter des Instituts für Religion und Friede: "Es ist heute internationaler Standard, dass Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit, der sozialen Sicherheit, der ökologischen Sicherheit, der Sicherheit des Einzelnen oder Fragen der Menschenrechte Teil einer umfassenden Sicherheitsstrategie sein sollten." Er begrüße diese Entwicklung, "weil sie der Realität der globalen Vernetzung entspricht, etwa wenn wir erleben, wie durch Nahrungsmittelspekulationen in Industrieländern Hungerrevolten in Afrika provoziert werden".

Österreich sollte deshalb im eigenen Land, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene "eine Politik machen und unterstützen, die dem Gemeinwohl dient, soziale Gerechtigkeit, gute Regierungsführung, Entwicklung und Menschenrechte fördert und friedenssichernde Maßnahmen, etwa durch Vermittlung in Krisen, unterstützt". Er bedauere es daher auch sehr, dass Österreich etwa im Bereich der Entwicklungspolitik zu den Schlusslichtern in Europa zählt oder dass die heimische Außenpolitik viel von ihrem Engagement und ihrer früheren Reputation, etwa als Vermittler im Helsinki-Prozess der 1970er-Jahre, eingebüßt hat. Die Politik habe es verabsäumt, die Menschen auf den notwendigen Weg einer umfassenden Sicherheitspolitik mitzunehmen.

Freistetter: "Unter diesen Voraussetzungen ist es dann auch schwer, den Menschen klar zu machen, warum wir mehr Geld für Entwicklungshilfe oder für friedenssichernde Einsätze des Bundesheeres ausgeben sollten."

 

EU setzt auf zivile Friedensmissionen

Die Kritik, dass die EU-Sicherheitsstrategie zu sehr auf die militärische Komponente setzt und zu wenig auf zivile Friedensvermittlung und Prävention, wies Freistetter zurück. Die EU habe derzeit deutlich mehr zivile Missionen als militärische am Laufen - etwa zur Schulung von Polizeieinheiten oder dem Aufbau eines ordentlichen Rechtssystems. Allein Österreich sei an sieben dieser zivilen Einsätze im Ausland beteiligt.

Auf der anderen Seite müsse man aber auch sagen, "dass es wohl kaum ein Land riskieren würde, zivile Friedensexperten ohne militärischen Schutz in eine Region zu schicken, wo gekämpft wird, wenn ich nur an die Kriegsphase in Bosnien oder im Kosovo denke". Es brauche die Fähigkeit, im Notfall Konfliktparteien durch die Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt zu trennen. Manchmal dienten militärische Einsätze auch der Vorbeugung.

Auf die sogenannten EU-Battlegroups angesprochen, an denen österreichische Soldaten mitwirken, warnte Freistetter vor einer Überbewertung. Mit diesen "Kampftruppen" könne man sicher keinen Krieg führen. Es handle sich vielmehr um zwei Einheiten von 1.500 Mann, "die in Krisenfällen, etwa bei Ausbruch einer Bürgerkrieges, bei drohenden humanitären Katastrophen, zur Vorbereitung von UNO-Friedensmissionen oder zur Sicherung der Evakuierung bedrohter Bürger aus Krisenregionen rasch eingesetzt werden können".

Das mache die EU auch unabhängiger von der NATO, was durchaus im Interesse Österreichs sein müsste, so Freistetter: "Davon kann man nur schwer eine 'Militarisierung' der EU ableiten, wie das manche tun."

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