Es ist die Pflicht aller Christen, sich gemeinsam mit ihren jüdischen Mitmenschen gegen jede Form von Antisemitismus zu stellen. Das hat die evangelisch-lutherische Oberkirchenrätin Hannelore Reiner am Donnerstag, 17. Jänner 2013, in ihrer Predigt beim offiziellen Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich zum "Tag des Judentums" betont. Die Christen hätten sich "schützend vor all jene zu stellen", die Verhöhnungen und Übergriffen ausgesetzt seien "und offensichtlich unsere Unterstützung suchen und brauchen".
Neben Reiner standen dem ökumenischen Gottesdienst in der Wiener Kirche St. Nepomuk der Wiener Weihbischof Franz Scharl und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, vor.
Gab es 2011 noch 71 Vorfälle der Diskriminierung und Verhöhnung - "71 zu viel" -, so sei diese Zahl im Vorjahr auf 135 gestiegen, wies die Oberkirchenrätin in ihrer Predigt hin. Reiner erinnerte auch an die Machtergreifung der Nazis in Österreich vor 75 Jahren. Anstatt "die verlängerten Hände des schützenden Gottes" zu sein, waren auch viele Christen unter jenen, die im März 1938 hierzulande jüdische Frauen und Männer verspottet und verhöhnt hätten, so die Oberkirchenrätin. "Wo waren die Christen, die entschieden und klar ihr Nein gesagt haben? Wo waren jene, die sich schützend vor ihre Mitbürger gestellt haben?" Zwar habe es auch Menschen gegeben, die ihrer christlichen Überzeugung auch während der Nazi-Herrschaft treu blieben, "aber sie waren zu wenige, um eine tatsächliche Schutzmacht zu bilden", bedauerte Reiner.
Einen Anstieg der Gewaltbereitschaft beobachtet auch der Wiener Weihbischof Franz Scharl. Die Ursachen dafür seien nicht immer nachvollziehbar; dennoch sei jeder einzelne dazu aufgerufen, immer wo es nötig sei Zivilcourage zu zeigen. Letztlich gehe es um eine Begegnung unter Menschen und um gegenseitige Anerkennung, so Scharl weiter.
Der Weihbischof sieht darin, dass der "Tag des Judentums" unmittelbar vor der Einheit der christlichen Kirchen gefeiert wird, ein "wunderbares Zeichen für die gemeinsame Wurzel, aus der wir kommen".
Das Gedenken an die Opfer des Holocausts sollte beispielsweise durch "Steine der Erinnerung" zeichenhaft wach gehalten werden, reit Scharl. Bisher gebe es solche Steine erst vor zwei Wiener Kirchen, der Kirche St. Nepomuk und der Kirche am Tabor.
Auch Bischofsvikar Dura zeigte sich "froh darüber", dass mit dem ökumenischen Gottesdienst an diese gemeinsame Wurzeln erinnert wird. Das Judentum sei "sehr bereichernd für alle Christen". Dura erkannte in der Veranstaltung jedoch nicht nur einen "wichtigen Rückblick in unsere Vergangenheit", sondern auch eine Perspektive für die Zukunft und ein besseres Zusammenleben. Die zunehmenden Diskriminierungen sollten Christen dazu motivieren, "dass wir gemeinsam etwas bewegen müssen", so Dura nach einer kurzen gemeinsamen Andacht am "Stein der Erinnerung" im Gespräch mit "Kathpress".