Russlands Klöster erleben derzeit einen Boom. Das war eines der Ergebnisse des internationalen Symposions "Spiritualität in Frauenklöstern des Ostens und des Westens", vom 13. bis zum 14. Dezember 2012, in Wien. Katholische, syrisch-orthodoxe, russisch-orthodoxe und evangelische Referentinnen schilderten anhand von konkreten Beispielen die spirituellen Entwicklungen der heutigen Frauenklöster.
Schwester Nikolaja Vinogradova von der russisch-orthodoxen Kirche schilderte am Beispiel des Johannesklosters in Moskau die Zeit der Christenverfolgung unter den Kommunisten und die Renaissance des russisch-orthodoxen Glaubens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem folgenden Zerfall der Sowjetunion. Das Kloster war zu Sowjetzeiten geschlossen und wurde als Gefängnis genützt. Nun erlebe es eine neue Blütezeit.
Schwester Faustyna Kadzielawa wies darauf hin, dass es sich bei den insgesamt 247 Klostergründungen in Russland seit der politischen Wende vor allem um Revitalisierungen von Klöstern handelt, die bereits vor der Revolution im Jahr 1917 existierten. "Das russisch-orthodoxe Mönchtum hat sich in den letzten 25 Jahren praktisch aus der Asche erhoben", so Schwester Kadzielawa. Für die Kirche und das russische Volk sei es ein Vorreiter der geistlichen Erneuerung.
Schwester Vinogradova bekräftigte, dass das östliche und das westliche Mönch- und Nonnentum auf die gleichen Wurzeln zurückgehen würden. Die russischen Frauenklöster bildeten - im Vergleich zu jenen des Westens - eine vergleichsweise homogene Gruppe. Das verbindende Element zwischen lateinischem und orthodoxem Mönchtum seien die Gelübde.
"Das Kloster ist ein Mikrokosmos der Welt", sagte Schwester Helen Samarji. Die syrisch-orthodoxe Nonne betonte, dass ein Kloster eine "große Stütze für die ganze Welt" sei. Die frühen Kirchenväter, wie der heilige Antonius oder der heilige Athanasius "hatten den Mut, aus ihrem monastischen und Einsiedlerleben auszubrechen".
Schwester Michaela Puzicha aus Salzburg bekräftigte in ihrem Vortrag, dass das benediktinische Mönchtum ganz wesentlich von östlichen Traditionen geprägt war und ist. Die benediktinische Spiritualität sei ohne die Traditionen des Ostens nicht zu verstehen, so Puzicha. Sie nannte hier die biblische Grundlegung und die Christozentrik der Benediktusregel als Beispiele. "Die monastische Tradition ist von Anfang an geformt vom Umgang mit den Worten der Bibel". Diese hochrangige Bedeutung der Bibel für das Mönchtum übernehme die Benediktusregel "eins zu eins".
Schwester Rebekka Laqua referierte über die Spiritualität der Jerusalem-Mönche und -Nonnen. Bei der ursprünglich aus Frankreich stammenden Gemeinschaft, die mittlerweile auch in Köln ansässig ist, handelt es sich um eine neue Art von "Kloster in der Stadt". Dabei gehen die Schwestern den von ihnen erlernten Berufen in der Stadt nach.
Schwester Nichole Grochowina von der Christusbruderschaft Selbitz sprach über die Traditionslinien evangelischer Ordensspiritualität. Dass überhaupt evangelische Orden entstanden sind, sei nicht selbstverständlich. Schließlich habe Martin Luther selbst das Ordensleben als "unevangelisch" bezeichnet. Deshalb seien die heutigen evangelischen Ordensgemeinschaften auch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.
Das Symposion wurde von der Stiftung "Pro Oriente" veranstaltet. In ihrem Einführungsvortrag unterstrich die Wiener Ordinaria für spirituelle Theologie, Marianne Schlosser, die Vielfalt des Ordenslebens in den christlichen Konfessionen. Die Ordensgemeinschaften seien nicht nur funktional zu verstehen, sondern vielmehr ein "Schmuck der Kirche". Mitveranstalter des Symposions war die Fraueninitiative des Forums "Zeit und Glaube" des Katholischen Akademikerverbandes der Erzdiözese Wien.