Samstag 11. Januar 2025
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Jahresrückblick: Vertrauensverlust in Politik macht Sorge

Das Jahr 2012 hat einen dramatischen Vertrauensverlust in Politik, Wirtschaft und öffentliche Institutionen ganz allgemein gebracht. In einem Interview für die Medien der Erzdiözese Wien kritisierte Kardinal Christoph Schönborn "schwere Korruptionsfälle" und "wirtschaftliche, finanzielle Desaster", die "das Vertrauen in die Institutionen und in die leitenden Personen schwer erschüttern". Auch die Kirche sei durch die Krisen der letzten Jahre davon betroffen, sagte der Kardinal ein und verwies auf die innerkirchlichen Missbrauchsfälle.

 

Die Kirche könne nur dann Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn es ihr gelingt, "auf einer sehr viel bescheideneren Basis in Demut, aber auch mit Zuversicht und Hoffnung, Orientierung zu geben". Das sei die große Herausforderung, "und ich sehe sie als große Chance", so Schönborn.

 

Wir dürfen das viele Gute nicht übersehen

Auch wenn vieles in der Kirche in den letzten Jahren Anlass zu Enttäuschung, Empörung und Abwendung geboten hat, dürfe man zugleich aber das viele Gute nicht übersehen. Medial wenig beachtet gebe es in der Kirche in Österreich eine "erstaunliche Vitalität". Das zeige, "dass die Kirche in sich eine Kraft trägt, die nicht von ihr kommt, sondern ihr anvertraut ist, und die nicht für sie allein da ist, sondern für die Menschen".

 

Im Jahresrückblick 2012 nannte Schönborn weiters die Bischofssynode zur Neuevangelisation als wichtigstes weltkirchliches Ereignis. Ein starker Schwerpunkt für die Kirche in Österreich sei hingegen die Kirchenreformdebatte gewesen. "Manchen oder vielen" gehe die Reform "irgendwie zu langsam oder nicht in die Richtung, wie sie sich das vorstellen". Diese interne Auseinandersetzung werde die Kirche in den kommenden Jahren noch weiter intensiv beschäftigen.

 

Christen in Nahost brauchen Schutz

Auf die weltweit zunehmende Verfolgung von Christen angesprochen meinte Schönborn, dass der Westen seiner Schutzfunktion nicht ausreichend nachkomme. Sehr deutlich sei dies im Nahen Osten. Der Kardinal sprach nicht nur von humanitären Verfehlungen des Westens sondern zugleich auch von einem gravierenden politischen Fehler. Der Westen wäre gut beraten, sich stärker für den Schutz der Christen im Orient einzusetzen, diese könnten nämlich eine ideale ausgleichende dritte Kraft im spannungsreichen Verhältnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt darstellen.

 

Weltweite Instrumentalisierung der Religionen

Die Prognose, dass mit der Säkularisierung der Gesellschaft die Religionen unweigerlich aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt werden, sei inzwischen deutlich widerlegt: "Das Phänomen der Religion ist wieder voll da auf dem Marktplatz der Weltöffentlichkeit." Allerdings gingen damit auch weltweit neue Versuchungen zur Instrumentalisierung der Religionen für politische und andere Zwecke einher. Das zeige sich beim Islam, in fundamentalistischen Tendenzen des Hinduismus in Indien oder beim Buddhismus in Sri Lanka. Auch das Christentum sei von dieser Versuchung nie frei gewesen, "es ist eine Grundversuchung des Menschen", so Kardinal Schönborn.

Dass in diesem Kontext auch gegenseitige Verfolgungen geschehen, von denen heute besonders die Christen betroffen sind, sei eine fast unvermeidliche Konsequenz. Die Gründe dafür seien vielfältig. Für das Christentum sei das Verfolgtwerden aber gleichsam "Teil des Programms", weil Jesus Gewaltlosigkeit eindeutig als seinen Weg beschrieben und damit den Christen eine Position der Wehrlosigkeit nahe gelegt habe: "Gott sei Dank sind im Moment Christen praktisch nirgendwo auf der Welt in der Situation der Verfolger, sondern der Verfolgten."

 

Kirchenreform: Wir wollen nicht aus Tempo drücken

Den Reformprozess in der Erzdiözese Wien sah Schönborn auf einem guten, freilich aber auch noch langwierigen Weg. Die Anstöße, die die diözesanen Leitlinien für den Reformprozess gegeben haben, seien bereits wirksam, auch und gerade weil sie heftige Diskussionen ausgelöst hätten. Er spüre jedenfalls die Bereitschaft, sich der veränderten Situation zu stellen, so Schönborn: "Ich sehe es sehr positiv, dass bewusst die Frage der Zukunft unserer Gemeinden angegangen wird, dass wir alle spüren, wir müssen einerseits mehr zusammenrücken und uns andererseits mehr für die Vision der Kirche, für ihre ursprüngliche Sendung engagieren."

 

2013 würden erste Schritte der Reformpläne umgesetzt, aber es handle sich um ein Zehnjahresprogramm. "Wir wollen bewusst nicht aufs Tempo drücken, sondern Schritt für Schritt mit Augenmaß - zum Teil auch in Pilotprojekten - solche Reformschritte setzen", so der Kardinal. Aus ersten Versuchen und damit auch aus Fehlern wolle man lernen für die weiteren Schritte: "Ich sehe das gelassen und froh, weil wir alle - bewusst oder unbewusst - spüren: Es ist notwendig."

Freilich brauche es für die Reform zuallererst ein neues Bewusstsein bei jedem einzelnen Gläubigen: "Es verändert sich die Lage in Österreich, indem es weniger selbstverständlich ist, Christ zu sein." In manchen Kreisen müsse man sich sogar schon dafür rechtfertigen, Christ zu sein. Umso notwendiger sei die persönliche Entscheidung zur Nachfolge Jesu.

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