Die "Anderen, die nicht zur Kirche gehören", sind der Maßstab, an denen sich die Qualität christlicher Mission bemisst. Das sagte die Wiener Theologin Regina Polak bei der Präsentation ihres neuen Buches "Mission in Europa?" am Mittwoch, 28. November 2012. Dabei prognostizierte sie, dass das 21. Jahrhundert grundsätzlich ein "Zeitalter der Mission" - und zwar von allen Religionen - sein werde.
In der heutigen säkularen und religiös pluralen Gesellschaft müsse gefragt werden: "Was trägt christliche Mission zum Zusammenleben mit Anderen in Verschiedenheit und Frieden bei?" Christlicher Glaube sei missionarisch - "oder er ist eben nicht christlich", erklärte Polak. Der Glaube müsse "die Grenzen der Kirche immer wieder überschreiten - hin zu den Anderen".
Die Mitarbeiterin des Wiener Instituts für Praktische Theologie zitierte dazu ein für sie zum "Schlüssel" gewordenes Wort des französischen Jesuiten und Kulturphilosophen Michel de Certeau: "'Missionarisch' zu sein heißt für die Kirche, zu anderen Generationen, zu fremden Kulturen, zu neuen menschlichen Strebungen zu sagen: 'Du fehlst mir' - nicht so, wie ein Grundbesitzer über das Feld seiner Nachbarn spricht, sondern wie ein Liebender."
Die Pastoraltheologin betonte dies auch vor dem Hintergrund einer christlichen Missionsgeschichte, die neben Humanisierung und Zivilisierung immer auch in der Gefahr gestanden sei, "gewaltförmig zu werden". Diese "Gewaltgeschichte" dürfe nicht zugedeckt oder verharmlost werden. Unbehagen äußerte Polak über auch heute noch verwendete Redewendungen wie "für den Glauben brennen": Wie kann nach der Shoa mit sechs Millionen Ermordeten noch derart unreflektiert gesprochen werden, so ihre Frage.
Sie gehöre zu jenen, die dem Begriff "Mission" seit jeher skeptisch gegenüberstünden, sagte Polak. Als unmittelbare Reaktion auf die zeitgenössische Kirchenkrise ohne entsprechende Ursachenanalyse sei die Forderung nach Mission "peinlich", und sie "riecht" verdächtig danach, leeren Kirchenbänke und -kassen wieder füllen zu wollen. "Unbehaglich" sei ihr "Mission" auch als geforderte Reaktion auf die Diagnose, Europa sei in einer umfassenden Gotteskrise oder gar "gottlos" geworden: "Wird dabei die Gotteskrise nicht allzu rasch mit der Erosion einer konstantinischen Kirche identifiziert, ja mit Kritik an der Kirche und ihren Vertretern gleichgesetzt? Wird dabei nicht die Gotteskrise im Inneren der Kirche übersehen?"
Polak äußerte Zweifel, ob die Diagnose überhaupt zutreffe: "Könnte die Gotteskrise heute nicht auch ein Neuerwachen eines sich transformierenden Gottesglaubens sein?"
Regina Polak
"Mission in Europa? Auftrag - Herausforderung - Risiko"
in der Reihe "Spiritualität und Seelsorge"
Verlag Tyrolia
Preisinfo: 9,95 Euro