Weitere Artikel aus der aktuellen Ausgabe des "Sonntags" finden Sie hier.
Möglichkeit eines gratis Testabos für vier Wochen.
Wer gilt als Familie? Wie wird Familie definiert?
Mazal: Die Vielfalt der Familienformen, die die Realität unserer Gesellschaft kennt, ist groß: Der heute die Vorstellung vieler Menschen prägende Familienbegriff begreift ein verheiratetes Elternpaar mit den eigenen Kindern als Familie.
Dieser Familienbegriff ist relativ jung und erlebt in der gesellschaftlichen Anschauung seine Hochblüte erst seit den 1950er Jahren. In der Antike und bis weit in die agrarische Gesellschaft der Neuzeit verstand man unter einer Familie alle in einem Haushalt lebenden Personen, typischerweise also einen Drei-Generationen-Verbund einschließlich unverheirateter Angehörige, allenfalls unehelich geborener Kinder und Bediensteter.
Einen drei-Generationen-Verbund einschließlich der mit dem "Familienoberhaupt" durch Geburt oder Adoption verbundenen Personen umfasste auch die adelige und bürgerliche Vorstellung von Familie, die bis ins 20. Jahrhundert weite Teile der Gesellschaft prägte.
Beginnend mit dem Aufstieg des Bürgertums bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verengte sich der Familienbegriff auf die Kleinfamilie, wurde jedoch in den vergangenen wenigen Jahrzehnten wiederum ausgeweitet auf alle Lebenssituationen, in denen Menschen auf Basis personaler Beziehungen generationenübergreifende Verantwortung übernehmen.
In diesem Sinn befassen sich die Familienwissenschaften heute auch mit Einzelpersonen und gleichgeschlechtlichen Paaren, die in intergenerationaler Verantwortung – gegenüber Eltern und Kindern – leben, als Familien.
Wie viele Familien gibt es in Österreich?
Mazal: Die tatsächliche Situation und Entwicklung der Familien in Österreich ist bunt und von interessanten Tendenzen geprägt: So schrumpfte die Zahl der Ehen mit Kindern unter 15 Jahren zwischen 2006 und 2011 von ca. 580.000 auf 535.000 und demgegenüber wuchs die Zahl der Lebensgemeinschaften mit Kindern unter 15 Jahren von 108.000 auf 121.000; die Zahl der Alleinerziehenden mit Kindern unter 15 Jahren schrumpfte zwischen 2006 und 2011 von 120.000 auf 107.000.
Lebt die Mehrzahl der Kinder bei Ehepaaren?
Mazal: Kinder leben in Österreich großteils bei Ehepaaren und bei Paaren in Lebensgemeinschaft: Auch hier ist allerdings eine Veränderung im Detail festzustellen.
Während die Zahl von Kindern unter 15 Jahren, die bei Ehepaaren leben, zwischen 2006 und 2011 von 980.000 auf 950.000 zurückgegangen ist, wuchs die Zahl der Kinder, die bei Paaren in Lebensgemeinschaft leben, im selben Zeitraum von 154.000 auf 172.000 und die Zahl der Kinder, die bei alleinerziehenden Eltern leben, schrumpfte zwischen 2006 und 2011 von 165.000 auf 145.000.
"Familie" erreicht in Umfragen meist einen hohen Stellenwert. Warum?
Mazal: Dies zeigt, dass Menschen nach wie vor – und letztlich auch in steigendem Maß – bereit sind, Verantwortung füreinander und gegenüber Kindern zu übernehmen und Familien zu gründen. Dass die Bereitschaft abnimmt, dazu die formalisierte Verbindlichkeit einer Ehe einzugehen, sollte die Frage aufwerfen, warum nicht geschätzt wird, dass in der Formalisierung eine Bestärkung liegt, die Sicherheit und Stabilität fördern kann.
Entscheidender als die formalisierte Verbindlichkeit ist für mich jedoch, dass viele Menschen den Versuch wagen, Verantwortung füreinander und die kommende Generation zu übernehmen: eingelöst werden muss diese Verantwortung – in welcher Familienform auch immer – ohnedies Tag für Tag.
Weitere Artikel aus der aktuellen Ausgabe des "Sonntags" finden Sie hier.
Möglichkeit eines gratis Testabos für vier Wochen.