Sonntag 12. Januar 2025
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Kinderarmut: Katholische Jungschar geht in die Offensive

(13.11.2012)Österreichs größte Kinderorganisation fordert eine Kindergrundsicherung und die Gesamtschule. 135.000 Kinder in Österreich sind "manifest arm".

Die Katholische Jungschar geht in die Offensive gegen Kinderarmut. In ihrem am Dienstag, 13. November 2012, vorgestellten "Bericht zur Lage der Kinder 2012" werden auf der Basis einer soziologischen Studie Armutserfahrungen von Kindern aufgezeigt, in einer Pressekonferenz wurden aber auch konkrete Forderungen zu einer effizienten Kinderarmutsbekämpfung in Österreich erhoben. Unter dem Titel "Genug für alle!" verlangt die größte österreichische Kinderorganisation von den politisch Verantwortlichen eine Kindergrundsicherung unabhängig von Familienform und Herkunft.

 

Bildung ein Schlüssel zur Armutsbekämpfung

Weitere Forderungen sind Rahmenbedingungen für existenzsichernde Erwerbsarbeit vor allem für Frauen, familienfreundliche Arbeitszeiten und qualitätsvolle Kinderbetreuungseinrichtungen. Den Kindern käme nach Überzeugung der Jungschar auch eine Absenkung der Normalarbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn sowie eine verpflichtende Väterzeit analog zum Mutterschutz nach der Geburt zugute. Da Bildung ein Schlüssel zur Armutsbekämpfung sei, plädiert die Jungschar für eine gemeinsame Schule aller Kinder bis 15 Jahre "mit ganzheitlich gestaltetem Lern- beziehungsweise Miteinander-leben-Konzept". Sozial benachteiligte Kinder seien gezielt zu fördern.

 

Studie "Arm dran sein & arm drauf sein"

"Arm dran sein & arm drauf sein" lautet der Titel jener qualitativen Studie, in der die Soziologinnen Ingrid Kromer und Gudrun Horvat die Armutserfahrungen österreichischer Buben und Mädchen beleuchteten. Die wichtigsten Ergebnisse dieser von der Jungschar jetzt als Buch herausgebrachten Doppel-Dissertation an der Uni Wien: Eine prekäre Lebenslage mit materiellen Mängeln entspricht auch einem Lebensgefühl mit emotionaler Armut. Betroffene Kinder fühlten sich oft ausgeliefert, "mutterseelenallein" oder einfach "anders", statt dazuzugehören und "cool" sein zu können.

Je nach ihrer Disposition gehen Kinder laut den Studienautorinnen unterschiedlich mit ihrem Armsein um: Verbreitet sei das Muster, sich zu distanzieren und sich als gar nicht betroffen darzustellen bezeihungsweise zu relativieren mit "Es ist eh nicht so schlimm". Manche fügen sich resignierend in ihr Schicksal, andere wiederum werden "auffällig", etwa durch Krankheit. Aber es gebe auch die Strategie zu vertrauen, dass sich alles zum Positiven entwickelt.

 

Prinzip "Kein Kind zurücklassen"

Martin Schenk, Sozialexperte der evangelischen Diakonie, sprach bei der Pressekonferenz von 135.000 "manifest armen" Kindern in Österreich. Neben einem geringen Haushaltseinkommen bedeute dies kalte und feuchte Wohnungen, höhere Gesundheitsgefährdung, schlechtere Kleidung und Probleme bei unerwarteten Ausgaben wie die notwendige Neuanschaffung einer Waschmaschine. Immerhin 50.000 Kinder und Jugendliche lebten in Österreich in Haushalten, die mit Mindestsicherung auskommen müssen.

"Wo stehst du, wenn du 30 Jahre alt bist?": Diese europaweit im Rahmen der PISA-Studie an 15-Jährige gestellte Frage führt in Österreich zu vergleichsweise "visionsarmen" Antworten, berichtete Schenk. Jugendliche haben hierzulande tendenziell wenig ambitionierte Träume, etwas Ungewöhnliches aus ihrem Leben zu machen. Nach Ansicht des Sozialexperten bildet das die vergleichsweise schlechte "soziale Mobilität nach oben" ab: "Aus armen Kindern werden arme Eltern, aus reichen Kindern reiche Eltern", so das viel zu häufige Schema mangelnder sozialer Durchlässigkeit.

Schenks dringende Empfehlung an die Bildungspolitik: weg von einem selektierenden Schulsystem hin zu integrierenden Ganztagsschulen, in denen alle Kinder in ihren Begabungen bestmöglich gefördert werden. Schenk berichtete von einem Besuch im diesbezüglichen Vorbild Finnland, das bei PISA-Studien regelmäßig an der Spitze steht. In jeder Schule seien dort Prinzipien der Schulverfassung nachzulesen, die - so Schenk - auch schöne Slogans für eine Schulreform in Österreich sein könnten: "Kein Kind beschämen" und "kein Kind zurücklassen".

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