"Alle Personen dieser Berufsgruppen haben den gleichen Auftrag: Sie sorgen sich ganzheitlich um den Menschen", so der Wiener Pfarrer und Islambeauftragte der Erzdiözese Wien, Martin Rupprecht. Um Vorbehalte abzubauen und zu einem besseren Verständnis zwischen den Religionsgruppen beizutragen, veranstaltete er gemeinsam mit der Türkisch-Islamische Union (ATIB) eine Tagungen für muslimische und katholische Geistliche sowie Ordensschwestern und muslimische Seelsorgerinnen.
"Imame und Priester sind für ihre Gemeinden Vertrauenspersonen und prägen in Bezug auf andere Religionsgemeinschaften entscheidend die Meinung, die Beziehungen und das Wissen ihrer Gläubigen mit", so Rupprecht. Von einer Brückenfunktion zur Gesellschaft und zum Staat", sprach Yasar Ersoy von ATIB und Mitkoordinator der Veranstaltung, die am Dienstag, 13. und Samstag, 17. November 2012, stattfand.
Das interreligiöse Begegnungsprojekt, das 2011 von Martin Rupprecht und dem ATIB-Präsidenten Seyfi Bozkus initiiert wurde, ging bereits in die zweite Runde. Letztes Jahr tagten Priester und Imame, heuer auch Ordensschwestern und Seelsorgerinnen. Die Bedeutung der Begegnung von Ordensschwestern und Seelsorgerinnen hob Yasar Ersoy hervor: Beide Religionen hätten ein "ausgeprägtes Profil weiblicher Spiritualität", aufgrund der Männerdominanz in der Religion würden die Frauen einander jedoch sonst kaum begegnen.
Einig sind sich Ersoy und Rupprecht darüber, dass Geistliche in erster Linie für das religiöse Bedürfnis der Menschen zuständig sind, damit aber einen großen Beitrag zur Integration leisten. Obwohl die Zielgruppe klein ist, zeige die Tagungsreihe bereits Breitenwirkung, so Rupprecht. Mittlerweile bestehe ein "enger Austausch mit den landeskundlichen Imamen-Schulungen des Außenministeriums, bei denen die islamischen Geistlichen in ihrer Funktion als Dialog- und Integrationslotsen in Österreich gestärkt werden sollen", berichtet Rupprecht. Höhepunkt der Tagungen seien die Einladungen zur Predigt beim Freitagsgebet, "wenn das nicht integrationsfördernd ist, was dann?", sagt der Pfarrer Rupprecht.
Viele der insgesamt 62 Teilnehmenden der Tagung, seien "hochaktiv, hätten jedoch wenig Ahnung von der jeweils anderen Religion", so Rupprecht. Erstes Ziel sei daher, sich nicht als System, sondern als Menschen näherzukommen, das zweite sei das Kennenlernen der jeweiligen "religiösen Empfindlichkeiten". Aktuell könnten diese am Beispiel des Karikaturenstreits und des islamfeindlichen Mohammed-Films veranschaulicht werden. "Hier geht es darum zu verstehen, warum viele Muslime so heftig reagiert haben - und darum, was man vermeiden soll, wo die Empfindlichkeiten liegen", ergänzt der ATIVB-Vertreter Yasar Ersoy. Er betonte, dass Gewalt niemals eine Lösung sei, dass es bei der Tagung darum gehe, Mut zu zeigen, und um "die Bereitschaft, gemeinsam nach Lösungen zu suchen". Christen würden erst dann verstehen, warum Muslime im Karikaturenstreit derart heftig reagieren, wenn sie ihren eigenen Empfindlichkeiten nachspüren, sind sich Rupprecht und Ersoy einig.