Montag 13. Januar 2025
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"Bild von Pius XI. muss korrigiert werden"

(22.11.2012) Sein Pontifikat stand im Zeichen einer offensiven, teils auch autoritären Kirchenpolitik, sagt Kirchenhistoriker Klieber, Initiator der internationalen Tagung über Pius-XI. in Wien.

Mit einem hohen wissenschaftlichen Anspruch startete am Donnerstag, 22. November 2012, eine Tagung zu Pontifikat und Person Papst Pius' XI. gestartet. Ihr Ziel ist die Korrektur des seit 70 Jahren vorherrschenden Pius-Bildes, dessen Pontifikat als eines der schwierigsten und wohl auch umstrittensten der Neuzeit gilt. Im Fokus steht dabei besonders das heikle Verhältnis des Heiligen Stuhls zur Situation in Österreich zur Zeit des "Ständestaates" (1934-1938).

 

"Aktive Gestalterpersönlichkeit"

Der Initiator der Tagung und Leiter des Forschungsnetzwerkes "Pius XI. und Österreich", der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber, kann mit zahlreichen neuen Einsichten aufwarten, die sich aus der Öffnung der vatikanischen Archive dieser Zeit ergeben hätten. Detailforschungen zeigen ein "weitaus differenzierteres und mitunter überraschendes Bild" von Pius XI., so Klieber. Prinzipiell zeichnen die Befunde das Bild eines gerade nicht in sich gekehrten Kirchenmannes, sondern jenes einer "aktiven Gestalterpersönlichkeit". "Ohne den aktiven Gestaltungswillen Pius XI. hätte die Kirche in jener Zeit nicht diese starke Position behalten können, die sie einnahm. Andererseits wurde auch viel an innerkirchlicher Vielfalt eingeebnet", so Klieber.

 

Vom Nuntius unausgewogen informiert

Im Blick auf Österreich hat Pius XI. besondere Relevanz wegen seiner "Unterstützung für das Modell der Katholischen Aktion". Darüber hinaus habe der Papst in Österreich aktiv kirchenpolitisch eingegriffen - etwa im Blick auf eine "völlige Neuordnung der theologischen Studien" sowie den "Umbruch bei der Praxis der Bischofsernennungen". Mit dem Modell der Katholische Aktion habe der Papst bewusst ein "Gegenmodell gegen die vereinnahmenden politischen Bewegungen der Zeit entwerfen und den weltanschaulichen Gegnern eine starke, selbstbewusste Positionierung entgegenhalten" wollen.

 

Neue Einsichten habe auch die Einsicht in die Nuntiaturberichte ergeben. So sei die Kurie und Pius XI. offenbar vom Apostolischen Nuntius Enrico Sibilia nicht immer ausgewogen über die Entwicklung in Österreich informiert worden. Dies sei etwa im Blick auf das Verhältnis des Heiligen Stuhls zum "Ständestaat" deutlich erkennbar.

 

"Die Kurie wollte keinen faschistischen Staat"

Die Gefahr des Faschismus sei hingegen durch "aufgeschlossenere Teile des österreichischen Klerus sehr früh erkannt worden" - diese hätten jedoch verabsäumt, "ihrerseits die Kurie zu informieren". Das Verhältnis der Kurie zum Ständestaat sei aber keineswegs restriktionsfrei gewesen, es wurde um Einflusssphären gerungen: "Die Kurie wollte keinen voll faschistischen Staat", so Klieber.

 

Revidiert werden müsse weiters die Einschätzung, Pius XI. habe zwar die Gefahr des Kommunismus, nicht aber jene des Faschismus und Nazismus erkannt. Ein unterschiedlicher und nicht immer ausgewogener Informationsstand habe es für den Heiligen Stuhl schwierig gemacht, zu unterscheiden, "was berechtigterweise verurteilt werden muss, und dem, was an Seelsorge noch zu retten ist", so Klieber. Sowohl gegenüber dem Kommunismus als auch gegenüber dem Hitler-Regime habe Pius vor allem die Sicherstellung der Seelsorge im Auge gehabt. Mit Zunahme der Gewaltakte sei die Kurie dann stärker auf Konfrontation gegangen.

 

Tagung noch bis 23. November

Eröffnet wurde die Tagung mit einem Vortrag des römischen Kirchenhistorikers Johan Ickx über die vatikanische Quellenlage zu Pius XI. Im Folgenden werden Werner Drobesch (Klagenfurt), Johann Weißensteiner (Wien), Helmut Alexander (Innsbruck), Peter G. Tropper (Klagenfurt) und Peter Rohrbacher (Wien) spezielle Forschungsarbeiten präsentieren, etwa zum Verhältnis Pius' XI. zu den österreichischen katholisch-theologischen Fakultäten.

 

Einen Einblick in die Praxis der österreichischen Bischofsernennungen und ihre Hintergründe während des Pontifikats Pius' XI. gibt am zweiten Tag Rupert Klieber (Wien). Weitere Vorträge betreffen das Verhältnis des Papstes zu den kleineren Nachbarstaaten, so etwa die Vorträge von Emilia Hrabovec (Tschechien), Algimantas Kasparavicius (Litauen), Bruno C. Reis (Portugal), Igor Salmic (Slowenien). Den Abschluss bildet ein Vortrag des Mailänder Historikers Paolo Valvo über Pius XI., Eugenio Pacelli und den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, das - so der Titel seines Vortrags - "Beschämendste Kapitel der Kirchengeschichte".

 

Die Tagung "Pius XI., Österreich und die 'kleinen katholischen Nationen' Europas" dauert noch bis 23. November.

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