Der neue koptische Papst Tawadrous II. ist ein Oberhaupt mit Managerqualitäten, den die koptische Kirche in Ägypten in den unsicheren politischen Zeiten auch notwendig hat; theologische Aufbrüche sind hingegen nicht zu erwarten. Zu dieser Einschätzung kommt der Salzburger Ostkirchenexperte Dietmar Winkler. Er betonte gegenüber "Kathpress", dass der am Sonntag, 4. Oktober 2012, gewählte Patriarch die Kirche in einer äußerst schwierigen Situation übernehme. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi gehöre zwar dem pragmatischen Flügel der Muslimbrüder an, er habe jedoch im Gespräch mit Vertretern der koptischen Kirchenleitung im September signalisiert, dass die koptische Kirche sich auf ihre geistlichen Aufgaben konzentrieren soll, während die politische Aufgabe dem Staat obliegt.
"Für die koptische Kirche ist es zur Zeit sicherlich nicht einfacher als zur Zeit Mubaraks und der neue Papst wird viel Geschick beweisen müssen", so der Ostkirchenexperte. Hinzu komme die schwere Aufgabe, die Kirche nach einem ungemein charismatischen Langzeitpapst übernehmen zu müssen.
Der neue Papst gehöre zwar zu den intellektuell gebildeten seiner Kirche, habe aber keine fundierte theologische Ausbildung, erklärte Winkler: "Frömmigkeit und Spiritualität stehen da zumeist im Vordergrund, während die theologische Reflexion mitunter Aufholbedarf hätte." Tawadrous besitze aber aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen auf jeden Fall Managementqualitäten.
Zur Zukunft des ökumenischen Dialogs mit den Kopten äußert sich Winkler vorsichtig. Die nächste offizielle Dialogrunde der katholischen Kirche mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu denen die Kopten gehören, findet im kommenden Jänner statt. Zu vermuten sei, so Winkler, dass die handelnden Personen zunächst dieselben bleiben, "da die politische Situation Ägyptens und die innere Verfasstheit der Kirche für den neuen Papst dringlichere Themen sein werden als die interkonfessionellen Beziehungen".
Positiv hob Winkler den Modus der "Wahl" des koptischen Oberhaupts hervor. In mehreren Schritten und durch mehrere Gremien seien die Kandidaten ermittelt worden. Die letzte Kürzung von fünf auf drei Kandidaten sei von einer Wahlversammlung mit 2.500 Vertretern aller koptischen Diözesen (Klerus, Laien, Männer, Frauen) erfolgt. Dies habe zur Folge gehabt, "dass so manche bisher machtvolle Kandidaten aus dem Kandidatenkreis fielen und andere, schlichte Mönche und nicht Bischöfe, hineinkamen". Die koptische Kirche zeige damit, dass "die Wahl des Oberhauptes nicht nur eine Sache von Klerus und Bischöfen ist, sondern eben eine des ganzen Volkes Gottes." Zuletzt zog dann ein Kind per Los den künftigen Papst-Patriarchen.