Samstag 14. September 2024
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"Miteinander statt Gegeneinander"

(07.06.2012) Kardinal Christoph Schönborn forderte beim Wiener Stadtumgang zu Fronleichnam gesellschaftliche Solidarität und die Einheit in der Kirche ein.

Tausende Gläubige, darunter auch der Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, nahmen an der Stadtprozession teil.

 

Dreifaltigkeit als Sozialprogramm

Kardinal Christoph Schönborn nahm mehrmals Bezug auf die Evangelienstelle, als Jesus im Abendmahlsaal in der Nacht vor seinem Leiden betete: "Alle sollen eins sein: Wie du in mir und ich in dir bin, Vater, so sollen sie alle eins sein, in uns, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Ein Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist."

 

Der Wiener Erzbischof zitierte den russischen Philosophen Nikolai Fjodorow, der sagte: "Die Dreifaltigkeit ist unser Sozialprogramm". "Das Maß der Einheit Gottes, des Dreifaltigen", so Kardinal Schönborn, "soll für uns das Maß unseres Miteinanders sein". Dieses Maß sei „der Ort an dem unser Glaube glaubwürdig ist".

 

Das "Einssein wie Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist", das sei, so Kardinal Schönborn, "etwas sehr Konkretes und etwa sehr Dringendes".  In einer Zeit, in der das "Miteinander auseinanderläuft, wo Gräben sich neu auftun, die überwunden schienen, wo die sozialen Kluften schneller wachsen, als das soziale Miteinander". Der Wiener Erzbischof erwähnte dabei die Kluft zwischen "denen, die Arbeit haben und den Arbeitslosen, den Chancenreichen und den Chancenarmen, zwischen den Schönen und Reichen und den unauffälligen Armen". Kardinal Schönborn warnte auch vor einem "Nebeneinander, das nicht mehr ein Miteinander ist und vielleicht in Gefahr ist, ein Gegeneinander zu werden".

 

Einheit als Gegentrend

Die Bitte Jesu an die Jünger nach Einheit gelte auch heute, so der Wiener Erzbischof: "Eure Einheit soll gewissermaßen der große Gegentrend gegen den Trend der Zeit sein. Gegen den Trend einer Welt, in der die Kluft zwischen Arm und Reich nicht aufhört größer zu werden. Tut euer Möglichstes. Jeder an seinem Platz, um einen Gegentrend zu setzen, das Miteinander statt das Gegeneinander. Seid mutig gegen diesen Trend des Gegeneinanders".

 

Hoffnungsvoll sei, so Kardinal Schönborn, dass "in unserem Land die Caritas und in der evangelischen Kirche die Diakonie vielleicht der glaubwürdigste Teil der Kirche sind". Hier werde "dieses füreinander und miteinander da sein" ganz konkret gelebt. Für viele sei „die gelebte, praktizierte Caritas der Zugang dann auch zum Glauben".

 

Der Wiener Erzbischof forderte auch Solidarität in der derzeitigen schwierigen internationalen wirtschaftlichen Situation ein. Oft werde auf das Miteinander in der Geschichte vergessen, als Beispiel Griechenland: "Da wird heute Griechenland einfach nur als der Pleitestaat hingestellt, und vergessen ist, was Europa Griechenland verdankt", unterstrich Kardinal Schönborn. Das Gegeneinander werde in Europa geschürt. Der Wiener Erzbischof stellt die Frage: "Wo bleibt da das Einssein in der Geschichte? Und ist es nicht Zeit, in diesen Moment daran zu erinnern, was die Gründungsväter der europäischen Einigung nach den schrecklichen Kriegen des 20. Jahrhunderts gesagt und gewusst haben?"

 

Solidarität leben, Bitte um Einheit

Auch die weltweite Solidarität sprach Kardinal Christoph Schönborn zu Fronleichnam an. Dabei gehe es "gegen Armut, Not und Hunger". Vor wenigen Tagen hatten Kardinal Christoph Schönborn und Bundespräsident Heinz Fischer bei einer Begegnung die Notwendigkeit unterstrichen, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit nicht zu kürzen. "Miteinander, nur miteinander, können wir auch die Solidarität in der Weltgemeinschaft leben. Der Glaube an Christus, das Hinschauen zu dem, der sein Leben für uns gegeben hat, ist auch die Verpflichtung zum Miteinander mit den Notleidenden und Hungernden", so der Wiener Erzbischof.

 

Kardinal Christoph Schönborn kam auch auf schwierige Situationen in der römisch-katholischen Kirche zu sprechen: "Heute, im Angesicht des eucharistischen Herrn, der unter uns gegenwärtig ist im Sakrament, lade ich ein, dass wir, als Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche, die Bitte um Einheit auch im Herzen tragen. Einheit mit dem Heiligen Vater, gerade in Momenten, wo es schwierig ist, und wo wir uns vorstellen können, ahnen können, wie schwer es für ihn ist, Schwierigkeiten dieser Art zu durchleben".

 

Der Wiener Erzbischof sprach auch die Bitte um Einheit untereinander an: „In der Ortskirche, zwischen den Richtungen, die einander oft das Misstrauen aussprechen. Einheit in Geduld, in der gemeinsamen und nicht gegeneinander gerichteten Sorge für die Kirche und für das Wohl der Menschen".

 

Spannungen, so Kardinal Schönborn abschließend, seien "immer auch ein Lebenszeichen", aber sie erforderten "ein immer neues Miteinander, das sich orientiert an der Bitte Jesu, dass sie eins seien".

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