Kritik und Enttäuschung herrscht bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreich (DKA) angesichts der Auftragsbestätigung der steirischen Andritz AG für das umstrittene Wasserkraftwerk "Belo Monte" am Amazonas-Zufluss Xingu: Im "Corporate Social Responsibility" (CSR)-Leitbild zeige sich das Unternehmen "verantwortungsbewusst - wenn es um millionenschwere Aufträge geht, keine Spur davon", kritisierte Herbert Wasserbauer von der DKA in einer Aussendung am Montag, 14. Februar 2011.
Die Andritz AG hatte zuvor mitgeteilt, dass man "als Teil eines Konsortiums" mit dem französischen Alstrom-Konzern und dem Unternehmen "Voith" einen Auftrag für Turbinen und Generatoren mit einem Auftragswert von rund 330 Millionen Euro erhalten habe.
Die Andritz Hydro GmbH scheint bei der Plattform "respACT" ("Austrian business council for sustainable development") als Mitglied auf: Demnach bekennt sich das Unternehmen laut Definition auf der "respACT"-Website zu "CSR und Nachhaltiger Entwicklung" und richtet seine Unternehmenspolitik danach aus.
Das Unternehmen erklärte auf Kathpress-Anfrage, man sehe "keinen Widerspruch zum Leitbild von 'respACT'": "Brasilien verfügt über ein gut funktionierendes Rechtssystem. Das Projekt wurde nach den geltenden brasilianischen Gesetzen genehmigt", teilte Andritz AG der Kathpress schriftlich mit. "Wie bei allen Projekten weltweit" liefere man "nur dann, wenn die Projektbetreiber alle erforderlichen Genehmigungen besitzen". Eine Beeinflussung der Gesetzeslage in einzelnen Ländern durch Andritz AG "als Lieferanten ist praktisch nicht möglich".
Die Dreikönigsaktion kritisierte hingegen, dass sich das Unternehmen in CSR-Leitbild dazu verpflichte, "Rechte von Ureinwohnern" zu respektieren und die "Anliegen der Interessensgruppen im lokalen Umfeld" zu beachten und mit ihnen in Dialog zu treten: Im Fall von "Belo Monte" sei die betroffene indigene Bevölkerung nicht angehört worden, wie es die brasilianische Verfassung und internationale Konventionen vorsehen. Unabhängige Menschenrechtsplattformen würden in diesem Zusammenhang von "schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen" sprechen.
Auch seien die Baugenehmigungen für das Kraftwerk erteilt worden, ohne die Fertigstellung von Umweltverträglichkeitsstudien beziehungsweise die Erfüllung zuvor gestellter sozialer und ökologischer Vorbedingungen abzuwarten. Gegen diese unrechtsmäßige Vorgehensweise der brasilianischen Regierung sind laut DKA mehrere Gerichtsverfahren anhängig.
Der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler, der im Vorjahr vor allem für seinen Kampf für die Ureinwohner Brasiliens mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden ist, habe immer wieder von Propaganda der brasilianischen Regierung gesprochen, "dass mit Belo Monte der elektrische Strom in die Hütten der Armen kommen würde", hieß es seitens der DKA. Vielmehr aber werde "die Energie dem Bergbau und der Metallindustrie zugutekommen: für die energieintensive Verarbeitung von Eisen und Bauxit zu Aluminium das noch dazu für den Export bestimmt ist". Die einfache Bevölkerung bezahlt bereits jetzt "ein Vielfaches" des Industrie-Stromtarifs.
Andritz AG tue sich "eigentlich leicht. Belo Monte ist weit, weit weg", hat Bischof Kräutler zu einem möglichen Engagement des Unternehmens erklärt. "In Österreich kann man sagen, hinter uns die Sintflut, aber hier in Brasilien sind wir von dieser Sintflut betroffen, wir erleben sie am eigenen Leib", zitiert die Dreikönigsaktion den Geistlichen.
Die DKA hatte wiederholt an die Andritz AG appelliert, sich nicht am Megaprojekt zu beteiligen. Ende 2010 fand vor dem "Andritz-Gebäude" in Wien eine Solidaritätsaktion für Bischof Kräutler statt, in deren Rahmen Vertreter der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien und der Dreikönigsaktion gleichzeitig die "Andritz AG" aufforderten, aus dem Projekt auszusteigen und keine Turbinen zu liefern.
Die Realisierung des Projekts hätte dramatische Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung und die Umwelt: Eine Fläche fast so groß wie jene von Boden- und Neusiedlersee zusammen, werde geflutet werden. Durch die Ableitung des Wassers im Bereich der "Volta Grande" ("Große Schleife") des Xingu würden ein einmaliger Artenreichtum und die Lebensgrundlagen der dort lebenden - großteils indigenen - Bevölkerung verloren gehen; rund 40.000 Menschen würden zwangsumgesiedelt werden.