Mittwoch 18. September 2024
Artikel aus dem Archiv

Katholisch-orthodoxer Dialog: "Nur sehr langsamer Fortschritt"

(23.09.2010) Vor zu hohen Erwartungen an den aktuellen katholisch-orthodoxen Dialog warnt der Münsteraner Ostkirchen- und Ökumene-Experte Thomas Bremer. Das Problem sind die Rolle des Papstamtes und die katholischen Ostkirchen.

Die Delegierten zur zwölften Vollversammlung der katholisch-orthodoxen Dialogkonferenz ringen noch bis Freitag, 24. September 2010, in Wien um eine gemeinsame Darstellung der Position des Papstes in der ungeteilten Kirche im ersten Jahrtausend. Der Ökumene-Experte Thomas Bremer erläutert im Gespräch mit "Kathpress" die Knackpunkte der Debatte.

 

Welche Vollmachten hatte der Ehrenprimat?

Zahlreiche Dokumente aus dem ersten Jahrtausend seien vorhanden, würden von Ost- und Westkirche aber unterschiedlich gedeutet. Die orthodoxe Kirche gehe zwar auch - wie die katholische Kirche - davon aus, dass dem Bischof von Rom (Papst) eine Art "Ehrenprimat" zukam und er zuweilen Appellationsinstanz in strittigen Fragen auch für die Ostkirchen war. Juristische Vollmachten seien damit aber nicht verbunden gewesen, wie das von katholischer Seite gedeutet wird.

 

Kollegialität oder Vorrangstellung?

Der Primatsanspruch des Bischofs von Rom habe im ersten Jahrtausends an Bedeutung zugenommen, doch hatte er nie jene Position in der Gesamtkirche, die er heute in der römisch-katholischen Kirche einnimmt. Die strittige Frage rund um das Papstamt bewege sich zwischen zwei Polen, erklärt Bremer: Auf der einen Seite stehe das "Prinzip der bischöflichen Kollegialität und Synodalität", das von der Orthodoxie stärker betont wird, auf der anderen Seite das von der katholischen Kirche hervorgehobene "Prinzip des Primats", das davon ausgeht, dass es in jedem Kollegium auch einen Vorsitzenden mit Vorrangstellung geben muss. Die entscheidende Frage sei, so Bremer, ob sich orthodoxe und katholische Seite auf eine vermittelnde Position einigen können.

Gewisse Annäherungen gab es auf der Vollversammlung der Dialogkonferenz in Ravenna 2007, doch warnt Bremer davor, das Ravenna-Dokument zu hoch zu bewerten. Es bedeute nicht, dass die Orthodoxie damit auch nur annähernd das Papstamt in seiner heutigen Form anerkannt habe.

 

Die "Unierten"

Ein gravierendes Problem im katholisch-orthodoxen Dialog sind die katholischen, unierten Ostkirchen. Vor allem seit der politischen Wende in Mittel- und Osteuropa 1989/90, die den "Unierten" die Freiheit brachte: Besonders in der Ukraine und in Rumänien tauchten die im Kommunismus verbotenen, zahlenmäßig aber großen Kirchen aus der Illegalität wieder auf. Zugleich entbrannte vielerorts ein heftiger Streit mit der orthodoxen Kirche über Kirchengebäude, die einst den unierten Kirchen gehört hatten. Dies wirkte sich auch auf den ökumenischen Dialog und das Gelingen weiterer Versammlungen aus.

 

Unrealistische "Brückenfunktion"

Thomas Bremer betont, man müsse in der Frage der griechisch-katholischen Kirchen aber auch innerhalb der Orthodoxie differenzieren. Einerseits sind sich alle Orthodoxen einig, dass die Union kein rechtmäßiges Mittel sein kann. Andererseits seien die verschiedenen Kirchen unterschiedlich davon betroffen. Das größte Konfliktpotenzial gebe es in der Ukraine und in Rumänien. Im Nahen Osten - beispielsweise in Syrien - hätte sich hingegen eine relativ unproblematische Beziehung zwischen der Orthodoxie und der griechisch-katholischen Kirche entwickelt. Die Problematik der unierten Kirchen gehe jedenfalls über rein kirchenpolitische Aspekte hinaus, so Bremer. Die von mancher Seite geäußerte Ansicht, die unierten Ostkirchen könnten eine Art "Brückenfunktion" zwischen West- und Ostkirche darstellen, hält Bremer für nicht realistisch.

 

Für die katholische Kirche sei die Situation schwierig, weil man einerseits Wert auf die Beziehungen zur Orthodoxie legt, andererseits solidarisch zu den katholischen Ostchristen stehen wolle. Aber auch für die unierten Kirchen sei es schwierig - "wenn einem von orthodoxer Seite grundsätzlich jede Legitimität abgesprochen wird und man zugleich auch von Teilen der katholischen Kirche, zu der man ja gehört, als Problem angesehen wird." Noch dazu, wo viele Mitglieder der unierten Kirche während des Kommunismus für ihre Zugehörigkeit zu Rom das Martyrium auf sich genommen hätten. Das bedrohe die Identität dieser katholischen Kirchen, so Bremer.

 

Annäherung erst seit 50 Jahren

Das Fazit: "Die römisch-katholische Kirche und die orthodoxe Kirche müssen einen Weg finden, einerseits die Realität der griechisch-katholischen Kirchen zu akzeptieren und andererseits einen neuen Weg zur Einheit zu finden", so Bremer. Insgesamt könne er einen sehr langsamen Fortschritt feststellen. Zu bedenken sei, dass die beiden Kirchen über Jahrhunderte keine oder nur negative Berührungspunkte miteinander gehabt hätten und sich erst seit rund 50 Jahren eine Annäherung abzeichnet.

Gottesdienste
Finden Sie Gottesdienste in Ihrer Umgebung
Radio Vatikan
ERZDIÖZESE WIEN
Wollzeile 2
1010 Wien
Tel.: +43 1 51552 - 0

webredaktion@edw.or.at

Impressum
Datenschutzerklärung
Cookie-Einstellungen
https://www.erzdioezese-wien.at/
Darstellung: Desktop - Mobil