Mittwoch 18. September 2024
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"Theologische Bildung heute notwendiger denn je"

(29.09.2010) Die Wiener Theologischen Kurse feierten ihr 70-jähriges Bestehen mit einem Festakt und einem Gottesdienst. "Die Kirche braucht den kritischen Geist kritischer Menschen, die Fragen stellen", erklärte Weihbischof Helmut Krätzl.

"Theologische Bildung ist heute notwendiger denn je", das betonte der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums der "Wiener Theologischen Kurse", das am Dienstag, 28. September 2010, mit einem Festakt und Gottesdienst unter dem Titel "Aufbruch und Widerstand" in Wien gefeiert wurde.

Gerade in einer "multireligiösen und zugleich säkular geprägten Gesellschaft" brauche es Menschen, die religiös auskunftsfähig sind und über den Grund ihres Glaubens Zeugnis ablegen können, so Weihbischof Krätzl. Dies gelte gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Islam. "Die Kirche braucht den kritischen Geist kritischer Menschen, die Fragen stellen" - und die Theologischen Kurse stellten sei 70 Jahren eine zentrale Institution dar, um diesen Geist zu pflegen.

 

Älteste theologische Erwachsenenbildungseinrichtung

1940 gegründet und über viele Jahre geleitet wurden die Theologischen Kurse von der Innsbrucker Philosophin Margarete Schmid - damals zunächst unter dem Titel "Laienjahr". Maßgeblich an der Gründung beteiligt war der damalige Leiter des Wiener Seelsorgeamtes, Domkapitular Karl Rudolph. Die Theologischen Kurse stellen die älteste theologische Erwachsenenbildungseinrichtung der katholischen Kirche im deutschen Sprachraum dar. Seit dem Jahr 2000 leitet der Kärntner Erhard Lesacher die Theologischen Kurse.

 

"Stets mit der Zeit gegangen"

Im Rückblick müsse man den Theologischen Kursen attestieren, dass sie "stets mit der Zeit gegangen sind - und das im durchwegs positiven Sinn": So hätten sie zur Zeit ihrer Gründung im Kriegsjahr 1940 dazu beigetragen, geistigen Widerstand gegen das Nazi-Regime zu leisten, in den späten 1960er Jahren hätten sie einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Konzilsbeschlüsse geleistet, in der Gegenwart schließlich stellten sie sich einem grassierenden religiösen Analphabetismus entgegen, so der Wiener Weihbischof.

Einen historischen Rückblick auf die Zeit der Gründung der Theologischen Kurse und das damalige geistige Klima bot die Wiener Diözesanarchivarin Annemarie Fenzl. So habe sich die Kirche seit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 in einem stetigen Ringen um einen "modus vivendi" mit den neuen Machthabern befunden. Von den Nazis wurde die Kirche offen bekämpft. Kirchlich geprägte Werte sollten getilgt, ein "germanisches Neuheidentum" statt dessen als Staatsideologie etabliert werden.

 

"Gläubige zu mündigen Christen zu erziehen"

In diesem geistigen Klima habe die kirchliche Seelsorge zunächst auf das "Prinzip der Bewahrung" gesetzt - erst mit der Gründung des Wiener Seelsorgeamtes 1940 und der Gründung der Theologischen Kurse sei ein Richtungswechsel erfolgt: "Das neue Ziel lautete seither: Gläubige zu mündigen Christen zu erziehen" und sie so zum geistigen Widerstand zu rüsten. "Die Kirche wurde somit zu einem letzten Hort geistiger Freiheit in dieser Zeit - gerade auch durch die Theologischen Kurse, die ein Herzstück des geistigen Widerstandes wurden", so Fenzl.

Heute erfüllen die Theologischen Kurse laut Fenzl die Funktion einer "wertvollen Verunsicherung vor vermeintlichen Sicherheiten". Indem sie Glaubensinhalte nicht nur vermitteln, sondern sie stets auch kritisch hinterfragen, leisten die Kurse einen wichtigen Dienst an der Herausbildung mündiger Christen, so Fenzl.

 

Theologischer Aufbruch

Aus der Perspektive der langjährigen Referenten der Kurse berichteten der Wiener Dogmatiker und ehemalige Leiter der Kurse, Josef Weismayer, sowie der Innsbrucker Jesuit Otto Muck, der seit 1959 als Referent des Theologischen Fernkurses aktiv ist. Beide hoben das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) als bedeutenden Einschnitt in der Geschichte der Theologischen Kurse hervor. Der theologische Aufbruch, der von den Konzilsdokumenten ausging, wurde im "Glaubenskurs 70" umgesetzt. Schließlich wurde in den 1990er Jahren ein neues fächerübergreifende Kurskonzept entwickelt.

Bis heute werden immer neue Kursmodelle entwickelt, so habe man in den letzten Jahren Kurse zu speziellen Themen - Judentum, Islam, Ostkirchen - angeboten, im kommenden Jahr wird es Spezialkurse zur "Kulturgeschichte Europas", zu "Abendländischer Spiritualität", "Byzanthinischer Orthodoxie" und zu den "Festen im Kirchenjahr" geben. Die Theologischen Kurse sind in ganz Österreich als Fernkurs mit Studienwochen buchbar.

 

Radiotipp

Eine Zusammenfassung des Podiumsgespräch zur 70-jährigen Geschichte der Theologischen Kurse hören Sie am Donnerstag, 7. Oktober 2010, um 19.00 Uhr auf Radio Stephansdom. Eine Sendung von Stefanie Jeller.

 

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