Montag 16. September 2024
Artikel aus dem Archiv

"Patriarch Irinej verbindet Spiritualität und politische Sensibilität"

(07.09.2010) "Wir wissen um seine spirituelle Vision von einer geeinten Christenheit und um sein politisches Fingerspitzengefühl", sagt Michael Weninger, langjähriger Botschafter in Belgrad und Vorstandsmitglied von Pro Oriente, über den serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej, der am 10. September nach Wien kommt.

Der Wien-Besuch des neuen serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej, von 10. bis 14. September 2010, sei zunächst ein pastoraler Besuch bei den über 200.000 in Wien lebenden serbisch-orthodoxen Christen, erklärt der Diplomat und Theologe Michael Weninger im Gespräch mit Radio Stephansdom. Der langjährige Botschafter in Belgrad und Vorstandsmitglied der Stiftung Pro Oriente wird im Rahmen eines Festaktes in der Nationalbibliothek, bei dem Patriarch Irinej zum Protektor von Pro Oriente ernannt wird, die Laudatio halten.

 

Es sei die erste Auslandsreise des neugewählten Patriarchen Irinej, betont Michael Weninger, diese habe auch eine politisch-kulturelle Komponente und zeige die Bedeutung, die Wien und Österreich insgesamt für Serbien und die serbisch-orthodoxe Kirche hat. Dabei wies Weninger auf die enge Verbindung der beiden Länder seit der Zeit der Habsburgermonarchie hin.

 

Serbiens Zukunft in Europa

Die Zukunft Serbiens freilich liege in der Integration in Europa: "Die Christen in Österreich und in Serbien sind Schwestern und Brüder im Geist. Was uns vielleicht trennt, ist so gering, im Vergleich zu dem, was uns eint, das man von einem Schulterschluss der Christenheit sprechen kann", erklärt Weninger. Dies sei vor allem im Blick auf den Weg Serbiens in die Europäische Union von Bedeutung. Serbien sei ein logischer Partner und Kandidat für die Mitgliedschaft in der EU, was ganz im Österreichischen Interesse stehe. Wenngleich Serbien noch "Hausaufgaben" zu lösen hätte, würde Österreich selbstverständlich alles für die Aufnahme Serbiens in die europäische Familien tun: Auf den Punkt gebracht hieße dies: "Serbien war immer Europa, ist Europa und wird auch in Zukunft Europa sein", so der Diplomat und Leiter der Abteilung für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Dialog der Kulturen und Religionen im Außenministerium.

Im Klerus und im Volk der serbisch-orthodoxen Kirche gebe es zwar unterschiedliche Positionen - etwa in der Interpretation des kriegerischen Zerfall oder im Bezug auf das Verhältnis Serbiens zu den Nachbarstaaten, so Weninger: "Aber insgesamt gesehen ist die serbisch-orthodoxe Kirche eine Perle in den Juwelen Europas und es tut der Krone Europas gut, diese Perle auch in eine entsprechende Fassung zu bringen."

 

Auszeichnung für Pro Oriente

Es sei eine Auszeichnung für die Stiftung Pro Oriente, dass Patriarch Irinej die "Bürde und Würde" eines Protektors angenommen habe, erklärt Weninger. Gleichzeitig unterstreiche dies die Bedeutung von Pro Oriente für die orthodoxen Kirchen in Südosteuropa.

 

Politisches Fingerspitzengefühl

Weninger erinnert an die Vermittlungsfunktion, die Patriarch Irinej in seiner Funktion als Bischof von Nis innehatte: "Nis ist eine Region, die durch die Geschichte hindurch zu heroischen Tat geradezu provoziert wurde und gleichzeitig unglaublich viel gelitten hat." Die Region liege nicht weit vom Kosovo entfernt und sei immer im Zentrum kriegerischen Geschehens gestanden - schon während der Zeit des osmanischen Vordringens, aber auch während vieler späterer Kriegshandlungen. Weninger, der von 1993 bis 1997 Botschafter in Belgrad war, unterstreicht: "Der Bischof von Nis hat eine besondere Tradition in der Völkerverbindung, in der Friedensbildung und in der Zusammenführung unterschiedlicher religiöser Gruppierungen und Kirchen." Über Patriarch Irinej, sagt er, gerade durch sein Wirken als Bischof von Nis, "wissen wir um seine spirituelle Vision von einer geeinten Christenheit und um sein politisches Fingerspitzengefühl, unterschiedliche politische Positionen zusammenführen zu können."

 

Serbische Kirche im Kosovo

Die Lösung der Kosovofrage betrifft auch die Kirche, denn einige serbisch-orthodoxe Klöster - auch das Patriarchenkloster in Pec - stehen im Kosovo. Die religiösen Einrichtungen müssten unter serbisch-orthodoxer Verwaltung bleiben, betont Weninger, "darüber besteht überhaupt kein Zweifel". Einzelne Stimmen hätten zwar jüngst von einer autokephalen, kosovarisch-orthoxen Kirche gesprochen, doch das halte er für unmöglich und nicht wünschenswert. Für den serbischen Bevölkerungsanteil im Kosovo spiele die orthodoxe Kirche eine wichtige Rolle und leiste "zur dauerhaften Befriedung des Landes ihren Beitrag - wie tagtäglich zu sehen ist".

Denn durch den kriegerischen Zerfall Jugoslawiens seien enorme Grenzen gezogen worden - "Grenzen in den Gehirnen der Menschen, aber auch in den Herzen der Menschen", so Weninger. Diese Blockaden müssten eliminiert werden, gerade hier spiele die serbisch-orthodoxe Kirche ein besondere Rolle. Er sei aber voller Optimismus, dass die Kirche dieser Aufgabe - noch mehr als in der Vergangenheit - gerecht werde.

 

Weitere Artikel:
Gottesdienste
Finden Sie Gottesdienste in Ihrer Umgebung
Radio Vatikan
ERZDIÖZESE WIEN
Wollzeile 2
1010 Wien
Tel.: +43 1 51552 - 0

webredaktion@edw.or.at

Impressum
Datenschutzerklärung
Cookie-Einstellungen
https://www.erzdioezese-wien.at/
Darstellung: Desktop - Mobil