Sonntag 15. September 2024
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Fest gemauert in der Erden

(17.08.2010) Mit diesen Worten beginnt Friedrich Schillers berühmtes Lied von der Glocke. Zeilen, die seither die Zunft der Glockengießer begleiten. So auch die Familie Grassmayr in Innsbruck.

In 14. Generation gießt die Familie Grassmayr nun schon Glocken. Seit 1836 am Standort der heutigen Gießerei in Innsbruck. Immer wieder vererbte der Vater dem Sohn das Fachwissen. "Die Anfänge des Betriebes liegen mehr als 400 Jahre zurück und unsere Familie darf heute noch Glocken für die ganze Welt gießen", erzählt der Seniorchef des traditionsreichen Familienbetriebs, Christof Grassmayr.

 

Steht die Form aus Lehm gebrannt

In rund 100 Ländern weltweit läuten Grassmayrglocken, so auch in Kasachstan und Neuseeland. Bis eine Glocke im Turm einer Kirche erklingt, bedarf es eines langen Entstehungsprozesses. Aus Ziegeln wird der hohle Innenraum des Kerns gemauert. Schicht für Schicht tragen die Arbeiter Lehm auf die Ziegel auf. "Die wesentlichen Arbeitsschritte lauten: Lehm auftragen und trocknen lassen", erklärt Christof Grassmayr, "im Inneren des hohlen Kerns brennt ein Holzkohlefeuer, das den feuchten Lehm trocknet. Mit einer Schablone wird die äußere Lehmschicht des Kerns glatt gestrichen und in Form gebracht."

 

Sechs Wochen dauert der gesamte Arbeitsprozess, bis eine Glocke an ihren Bestimmungsort transportiert werden kann. Nach vier Wochen ist die Gussform fertig. "Unser Sohn, der den Guss leitet, sagt: 'In Gottes Namen.' Dann fließt die geschmolzene Bronze in die erste Form hinein", erklärt Seniorchef Christof Grassmayr. "In diesem Moment sind wir sehr erregt, denn wir wissen, dass diese Glocke noch in Jahrhunderten läuten kann. Da fragt man sich, ob sie noch lange in Frieden läuten kann. Jede Glocke hat eine Geschichte, zum Beispiel die Pummerin. Ihre Geschichte ist eigentlich die Geschichte Österreichs."

 

Soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben

Der Segen von oben, frei nach Schiller, wird auch bei Grassmayrs in Innsbruck vor jedem Glockenguss erbeten. "Die Besteller von Glocken sind immer Gemeinden und Pfarrämter. Zu jedem Glockenguss kommt eine Delegation mit ihrem Pfarrer. Mit ihnen gemeinsam beten wir", erzählt Christof Grassmayr. Seit Jahrhunderten gießt die Firma Grassmayr ihre Glocken am Freitagnachmittag um 15.00 Uhr. Symbolisch im Gedenken an die Sterbestunde Christi. Vielmehr sei es jedoch ein praktischer Grund, betont Christof Grassmayr, denn die Glocken müssen nach dem Guss einige Tage auskühlen. Am Anfang der folgenden Woche werden die erkalteten Glocken ausgegraben und von ihrer Lehmform befreit. "Wir nennen das die Geburt einer Glocke", erläutert der Seniorchef.

 

Jede Menge historische Glocken zeigt die Familie Grassmayr in ihrem Glockenmuseum. Besucher erfahren hier alles über die Geschichte, die Herstellung, die Form und den Klang der Glocke.
 

Friede sei ihr Erstgeläute

Durch ihren weit hörbaren Klang wurden Glocken schon in vorchristlicher Zeit für viele Zwecke eingesetzt. Ab dem 2. Jahrhundert nach Christus wurde die Glocke zum Symbol der Verkündigung des Evangeliums. Sie ruft die Gläubigen zum Gottesdienst, erweist bei Begräbnissen den Toten die letzte Ehre oder verkündet freudige Ereignisse wie Hochzeiten
.

In den dunklen Kapiteln der Geschichte wurden Glocken jedoch oft zweckentfremdet. So war nach dem Ersten Weltkrieg fast die Hälfte aller Glocken für Kriegsgeräte eingeschmolzen worden. "Schon am Beginn des Zweiten Weltkriegs, am 1. September 1939, erging ein Schreiben der Reichsstelle für Metalle an unseren Betrieb. Ab diesem Tag durften keine Glocken mehr gegossen werden. Die Firma überlebte in dieser Zeit durch den Guss von Bestandteilen für die Messerschmitt-Werke, die Kampfflugzeuge herstellten", berichtet Christof Grassmayr.

80.000 Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg von den Kirchtürmen geholt oder bei Angriffen beschädigt. So auch die Pummerin. "Wer mich berührt, den Krieg verliert, zweimal schon passiert", so lautet seither der mahnende Spruch einer Glockeninschrift nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ob Sonntags-, Stunden-, Sterbe- oder Wetterglocke. Ihr Läuten soll die Menschen in Friedenszeiten begleiten", sagt Christof Grassmayr.

 

Seine beiden Söhne, Johannes und Peter, blicken der Zukunft optimistisch entgegen, obwohl sie große Herausforderungen birgt, denn von den rund 50 Glockengießereien im westlichen Europa wird Schätzungen zufolge in 20 Jahren nur noch jede zehnte bestehen. Die sechs Enkelsöhne von Christof Grassmayr wissen jedenfalls schon heute, was sie einmal werden möchten: Glockengießer.
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