Freitag 10. Januar 2025
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„Heilige Revolution" und „Bereitet den Frieden"

(16.2.2014) 80 Jahre nach den Februarkämpfen.

Vor 80 Jahren fanden die sogenannten Februarkämpfe zwischen der christlichsozialen Regierung (die auch Polizei- und Bundesheereinheiten einsetzte) und dem sozialdemokratischen Schutzbund statt.


 

 

Zwischen 12. und 15. Februar 1934 forderten die Kämpfe  mehrere hundert Tote. Eine Folge war das Verbot der sozialdemokratischen Partei und ihrer Organisationen.


Was schrieb damals das Wiener Kirchenblatt (der Vorläufer des „Sonntag“) über die Ereignisse? Zunächst gar nichts. Die Nummer vom 18. Februar war wohl schon vor Ausbruch der Kämpfe abgeschlossen. Erst am 25. Februar werden die Kämpfe in der Zeitung thematisiert.


Man ist erleichtert über den Ausgang („ein furchtbarer Alpdruck ist von uns gewichen“) und sieht nun den Marxismus am Boden - und damit die als  wirklich notleidend begriffene Arbeiterschaft von den „gewissenlosen Volksverführern" befreit, die „vielen Arbeitern den Glauben aus dem Herzen gerissen, sie aus der heiligen Kirche mit Terror herausgetrieben und ihnen dafür den Hass gegeben haben“, wie der Chefredakteur des Kirchenblattes, Prälat Johann Mörzinger, schrieb.

 

Daran schließt sich die Hoffnung, dass die Arbeiter „wieder heim“ kommen würden - in den Schoß der Kirche. Und dass der Klassenkampf überwunden sei und ein friedliches, konstruktives Miteinander beginnen könne.


 „Bereitet den Frieden!“ ruft  dementsprechend der Erzbischof, Kardinal Theodor Innitzer, „allen Österreicher, ohne Unterschied der Partei, der Religion und der sozialen Stellung“ zu. Er sieht einen Teil der Schuld bei der Zerrüttung der Familien, weil „die Organisationstechnik der Vereine das Familienleben verunmöglichte, geradezu zerstörte“.


Innitzer sieht zwei Hauptaufgaben: zunächst, dass die „bindungs- und somit hemmungslos gewordene Jugend, die im politischen Radikalismus irrt, wieder aus ihren halben Kriegsbünden in das friedliche Gehege der Familie und des Hauses zurückgeführt werden muss“. Und zweitens der „Friede der Arbeit“. Die Menschen sollten auf allen Ebenen des Arbeitslebens miteinander Frieden halten, statt zu unterdrücken oder Klassenkampf zu betreiben. Er erhofft sich davon auch ein Ende der Arbeitslosigkeit – „der schlimmste Dämon unserer Zeit".


„Mehr Liebe! Mehr soziale Einstellung!“

Prälat Mörzinger ruft gar zu einer „heiligen Revolution“ auf, die freilich ganz anders als die blutige sein müsse: Es hätten „seit Jahrzehnten dunkle Mächte in heißester Höllenarbeit“ versucht, dem Volk den Glauben zu nehmen, und es habe auch „schreckliche Versäumnisse“ gegeben: „Man ließ die Menschen hungern und verzweifeln.“ Darum die erste Waffe der heiligen Revolution: „Mehr Liebe! Mehr soziale Einstellung!“


Der Chefredakteur fordert dabei Hilfe und Gebet „für die gefallenen Helden“ (der christlichsozialen Seite) und ihre Familien. Aber: „Auch den von gewissenlosen Verbrechern verhetzten und für sündige Ideen gefallenen Revolutionären dürfen wir unser Gebet nicht entziehen. Auch ihre Familien dürfen wir nicht vergessen, wenn wir beim Wundenheilen sind.“


Auch Kardinal Innitzer bemüht sich noch weiter, Brücken zu den Arbeitern zu bauen. In der folgenden Nummer des Kirchenblattes betont er  die Wichtigkeit der sozialen Arbeit in Wien und schreibt: „Es hat unleugbar in Tausenden und Tausenden von denen, die bisher der Kirche feindselig gegenüberstehen zu müssen glaubten, viel ehrlicher Idealismus, viel Opferfreudigkeit gelebt. Es war unendlich viel Sehnsucht und guter Wille in den Massen vorhanden.“ Dies alles, so der Kardinal, könne doch auch „in engem Zusammenhang mit eurer Kirche weiterleben“.


Dazu war freilich die Entzweiung zu weit fortgeschritten, die durch die Ausschaltung und Verfolgung der Sozialdemokratie noch weiter vertieft wurde. Der fast flehentliche Aufruf des Kardinals „Halten wir zusammen, werden wir einig und bleiben wir einig!“ wurde von beiden Seiten nicht erhört – und wurde darum auch erst viel später der von Kardinal Innitzer erhoffte „Weg aus dunkler Zeit in eine bessere Zukunft“.

 

„… durch Glockengeläute gerettet"

 

Von einer besonderen Episode aus den Februarkämpfen berichtet die Wiener Kirchenzeitung am 11. April: In der Nacht vor dem Aschermittwoch, dem 13. Februar, hätten sich 200 Arbeiter der Böhlerwerke in das drei Kilometer entfernte Waidhofen an der Ybbs aufgemacht, um die wenigen dort zurückgelassenen Ordnungskräfte zu überwältigen und die Stadt einzunehmen – „da wurden sie plötzlich durch starkes Glockengeläute aufgeschreckt“. Im Dekanat Waidhofen sei es nämlich Sitte, kurz vor Mitternacht die Fastenzeit einzuläuten. Die „Revolutionäre hatten keine Ahnung von dieser Sitte“, und weil sie glaubten, dass es sich um Sturmgeläute handle und ihr Plan verraten worden sei, hätten sie die Flucht ergriffen. Fazit der Kirchenzeitung: „Die Stadt wurde durch das Glockengeläute vor schrecklichem Blutvergießen bewahrt.“  

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