Freitag 10. Januar 2025
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Gefährliche Sackgassen

(2.2.2014) Interview mit Univ.-Prof. Andreas Redtenbacher über seinen Mitbruder Pius Parsch.

Ein Wegbereiter der liturgischen Erneuerung im 20. Jahrhundert: Univ.-Prof. Andreas Redtenbacher über seinen Mitbruder Pius Parsch – ein Symposion im März beleuchtet das Wirken des berühmten Klosterneuburger Chorherren.


 

Vor 60 Jahren starb der weltbekannte Liturgiepionier Pius Parsch: Was ist die Pionierleistung dieses großen Klosterneuburger Chorherren?  

Redtenbacher: „Man macht sich heute kaum noch eine Vorstellung von der Bedeutung, die die Werke von Pius Parsch in den 20er bis 40er Jahren hatten: Sie hatten entscheidend des Bewusstsein der ganzen Kirche geformt“, sagte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2004. Damit ist das Wesentliche gesagt: Pius Parsch, dessen 60. Todestag wir am 11. März 2014 begehen, war es gelungen, die Liturgische Bewegung, die über das Zweite Vatikanische Konzil in die epochemachende Liturgiereform mündete, an ihr Ziel zu bringen: in die Feier der Pfarrgemeinden.

Was zeichnet diese „Volksliturgische Bewegung“ aus?

Redtenbacher: Eine liturgische Erneuerungsbewegung gab es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in monastischen und akademischen Zentren. Pius Parsch war es aber gelungen, sie dorthin zu bringen, wo sie hingehört: an die Basis der Kirche und in den lebendigen Vollzug der konkreten Pfarrgemeinden unter Beteiligung des ganzen Volkes. Diesen zweiten Zweig der Bewegung nannte er die „Volksliturgische Bewegung“. Ihr Ausgangspunkt war die Basisgemeinde St. Gertrud in Klosterneuburg, die als „Wiege der Volksliturgie“ internationale Ausstrahlung erlangte.

Inwieweit wurde das Zweite Vatikanische Konzil von den liturgie-theologischen Impulsen des Klosteneuburger Chorherren Pius Parsch beeinflusst?

Redtenbacher: Die Liturgiekonstitution ist im allergrößten Teil ihres Textes vor allem von Parsch’s grundsätzlichem Credo der „aktiven Teilnahme“ aller geprägt: Das ist der wörtlich immer wiederkehrende „Cantus firmus“ im Text. Sein Ziel ist es, bewusst zu machen und neu zum Leben zu wecken, dass Gottesdienst ein Geschehen ist, das nicht an den Klerus „delegiert“ werden kann, sondern dass der eigentlich Handelnde (Priester) Christus selbst ist,  und dass die ganze mit und in Christus kraft der Taufe verbundene Gemeinde Träger der Liturgie ist. Dieses „neue Bewusstsein“ hat dem Liturgietext des Konzils seine theologische Tiefe gegeben.         

Vor welchen Herausforderungen stehen Liturgie und Liturgiewissenschaft heute – 50 Jahre nach Veröffentlichung der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium"?

Redtenbacher: 50 Jahre danach feiern wir Liturgie in einem stark säkularisierten Umfeld. Da gibt es drei gefährliche Sackgassen. Erstens: Der neokonservative Rückfall in das vorkonziliare Liturgieverständnis mit einer nicht wirklich mitvollziehbaren Liturgiegestalt, die die personale Begegnung und den  Lebensaustausch mit dem lebendigen Gott im Vollzug der Feier behindert. Zweitens: Eine im Sinne des Konzils liturgietheologisch ungenügende „Eventliturgie“, die jenseits des Liturgiegehalts ständig kundenfreudig Neues bieten will. Und drittens: Die Einengung der Vollzugs durch immer engere Reglementierungen, die die gläubige Verwurzelung (= Inkulturation) des gottesdienstlichen Lebens in den Ortskirchen faktisch verunmöglicht. Der einzige Weg aus diesen drei Sackgassen ist die von Parsch so sehr geforderte Liturgische Bildung und Mystagogie, auf die pastoral hinzuwirken wäre.

 Interview: Stefan Kronthaler         

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