Wien 15: Aus den fünf Pfarren Akkonplatz, Neufünfhaus, Rudolfsheim, Schönbrunn-Vorpark und St. Anton wird die Pfarre „Hildegard Burjan".
„Seit Juni treffen sich die hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger der neuen Pfarre Hildegard Burjan bereits 14-tägig. Die meisten Seelsorgebereiche planen und koordinieren wir gemeinsam“, erzählt Dechant Martin Rupprecht dem „Sonntag“. Die erste Pfarrkonferenz (als Vorläuferin des PGR der neuen Pfarre) mit den Vertreterinnen und Vertretern der PGRs habe bereits stattgefunden. Rupprecht: „2014 wird es einen großen Gemeinden-Tag für die 5 Gemeinden geben. Wir verstehen uns schon als eine neue Pfarre; wenngleich die rechtlichen, strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen noch geschaffen werden müssen.
Gemeinsam wollen wir diese Liste abarbeiten.“ Die Vorteile liegen für Rupprecht „auf der Hand: In allen Bereichen sind wir flexibler, neu motiviert, ein größeres Team.“ In der neuen Pfarre sei „die größere Fülle an unterschiedlicher Spiritualität direkt erlebbar. Gottesdienste in Rudolfsheim sind anders als am Akkonplatz. Manche Gläubige fühlen sich hier, andere dort zu Hause.“ Rupprecht: „Das Abschied nehmen von Vergangenem, Gewohntem erzeugt Ängste. Manche ,Kuschelecke‘ wird durchgelüftet und steht plötzlich auch anderen zur Verfügung.“ Interessant sei, „dass die Seniorengruppen uns vorauslaufen. Die neue Bewegung hat auch ihnen neue Möglichkeiten gebracht“, weiß der Dechant und Pfarrer.
„Noch unter Bischofsvikar Karl Rühringer wurden wir mit der Entwicklung eines Konzeptes für die Zukunft unseres Dekanates beauftragt“, berichtet Fritz Mahr, stellv. PGR-Vorsitzender von St. Anton von Padua/Pouthongasse. St. Anton hatte schon länger Ansätze zur Vernetzung mit den Nachbargemeinden, so Mahr: „Wir feierten gemeinsam mit Christkönig-Neufünfhaus Fronleichnam, gestalteten mit Rudolfsheim jährlich eine Kreuz-Prozession und nahmen Angebote der Erwachsenenbildung in Rudolfsheim wahr, auch die Firmvorbereitung wurde gemeinsam mit Rudolfsheim durchgeführt und unsere Erstkommunionkinder nahmen am Kinder-Kreuzweg in Christkönig-Neufünfhaus teil."
Erleichtert werde der Weg „dadurch, dass keiner Pfarre ein Pfarrer noch einem Pfarrer sein Amt ,weggenommen‘ wurde. Zwei der fünf Pfarren werden schon seit einiger Zeit von einem Team geleitet, der Pfarrer zweier weiterer resignierte aus Altersgründen, und der Pfarrer der fünften Pfarre ist nun der Pfarrer der ,Pfarre neu‘“. Die Vorteile laut Mahr: „Die Bündelung von Kräften, ein wachsendes Bewusstsein, in einer größeren Gemeinschaft nicht allein zu sein, eine gegenseitige Bereicherung durch den berühmten ,Blick über den Tellerrand‘.“ Mahr: „Die Tatsache, dass die Zahl der Priester, die die Eucharistie feiern, größer wird, könnte das Wirken als ,Bezugsperson‘ erschweren, andererseits erhöht die spirituell unterschiedliche Prägung jeder einzelnen Priesterpersönlichkeit die Vielfalt.“
„Durch diese mehrjährige Vorbereitungsphase haben wir uns im Rahmen der Dekanatskonferenz gut kennengelernt. Das war für die Gespräche sicher sehr wertvoll. Es ist uns allen – Geistlichen und Laien – bewusst, dass alles noch im Laufen ist und keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden kann“, sagt der stv. PGR-Vorsitzende der Pfarre Rudolfsheim, Kurt Willensdorfer. Die Zusammenarbeit erweise sich „bisher als sehr gut, die Gläubigen sind mobiler geworden, sie gehen ohne Bedenken in eine andere Kirche der neuen Pfarre und sehen dort bekannte Gesichter“. Konkret werde auf pastoraler Arbeit, bei den Firmlingen, bei den Senioren und auch am Unterhaltungssektor gemeinsam gearbeitet. Da ja in jeder der fünf Gemeinden noch aktive Pfarrgemeinderäte bestehen, sei „der notwendige Informationsaustausch besonders wichtig“. Willensdorfer: „Ein positiver Punkt ist bei uns, dass die bisherigen Gottesdienste auch weiter gefeiert werden können (2 Wochentagsmessen täglich und 4 Sonntagsmessen) – ein Angebot, das gerne angenommen wird.“ Es gebe natürlich Themen die die Gläubigen weniger interressieren: „Die Aufteilung der Finanzen, die Matrikenführung, die Buchhaltung. Auch da werden Wege gefunden werden.“ Die Gläubigen nehmen die Änderungen dankbar an. Dechant Rupprechts „positive Einstellung und Motivation sowie seine Religiösität stecken an und machen Freude zum Mitarbeiten“, sagt Willensdorfer.
„Das Pastoralteam der neuen, zukünftigen Pfarre Hildegard Burjan trifft sich vierzehntägig und da sind alle Gemeinden vertreten. Außerdem fanden bereits Firmvorbereitung, Seniorentreffen, Jugendabende, Treffen junger Familien und auch ein Jugendlager pfarrübergreifend statt“, berichtet Margarete Gebauer, stv. PGR-Vorsitzende der Pfarre Schönbrunn-Vorpark. Für sie liegen „die Vorteile auf der Hand, da eine große Gemeinschaft spürbar wird, man einander unterstützen kann und auch neue Möglichkeiten entwickeln wird, Kirche in der Welt von heute adäquat lebbar zu machen.“ Praktische Nachteile ergeben sich dadurch, „dass es neu und damit anstrengend ist, sich auf andere Gemeinden einzulassen, und auch die Fragen der Finanzen bzw. rechtliche Fragen werden noch genau angeschaut werden müssen“. Gebauer: „Denn jede Gemeinde braucht auch ihre eigenen Aufgaben und Aktivitäten, wo man fürs eigene finanzielle Weiterkommen investiert und sich engagiert.“
„Bei Firmlagern, Seniorenausflügen sowie dem Projekt ,Leo‘ ist eine pfarrübergreifende Zusammenarbeit sehr sinnvoll, weil Vieles in den einzelnen Pfarren nicht mehr optimal abgedeckt werden kann“, sagt Anni Frey, stv. PGR-Vorsitzende der Pfarre Akkonplatz. Mögliche „Nachteile“ aus der Sicht der Pfarre „Akkonplatz“ haben historische Wurzeln. „Die Pfarre Akkonplatz besteht erst seit 1980 und wurde mit dem Ziel gegründet, aus Teilen der Großpfarren Rudolfsheim und Breitensee eine überschaubare Einheit zu bilden. Die nunmehrige Entwicklung zurück zu einer großen Pfarre wird daher von manchen als Rückschritt empfunden“, sagt Frey. Zwei „Basisgemeinden“ haben als Zentrum die Liturgie am Samstagabend sowie am Sonntag. „Unsere Struktur entspricht dem Entwurf der ,Rahmenordnung für den inneren Aufbau der Pfarre Neu und ihrer Gemeinden‘“, sagt Frey: „Gemeinde-Leitungsteam (besteht seit 8 Jahren), Pfarr-Gemeinderat und monatliche verbindliche Gemeindeversammlungen, an denen Fragen der Organisation, der Pastoral und des Glaubens besprochen werden."
Durch die Gemeindeversammlungen haben alle Gemeindemitglieder viel mehr Entscheidungs- und Mitgestaltungskompetenz als in anderen Pfarren, sowohl in strukturellen und pastoralen Fragen als auch in der Gestaltung der Liturgie. Frey: „Unsere Pfarre hat auf Grund der starken Motivation der Gemeindemitglieder durch die alljährliche Durchführung von zwei Flohmärkten, Adventmarkt, vielen Veranstaltungen und Vermietungen ein ausgeglichenes Budget."
Viele der engagierten Gemeindemitglieder kämen aus anderen Pfarren Wiens und der Wiener Umgebung und „haben bei uns eine neue Heimat gefunden, weil hier praktisch erprobt wird, wie das Evangelium in einer demokratischen Welt gelebt werden kann“. Die Zusammenarbeit werde, „soweit sie als sinnvoll erkannt wird, positiv beurteilt; die weitere Entwicklung wird derzeit als vorsichtig positiv und mit Vorbehalt positiv bewertet, von einigen aber auch entschieden abgelehnt“, sagt Frey.
Bei einem Treffen der Leitungsteams und PGR-Vorstände der 5 Pfarren hat Waltraud Antonov, stv. PGR-Vorsitzende der Pfarre Neufünfhaus, „gespürt, dass aus dem ,Wir und die anderen‘ immer mehr ein ,Wir‘ wird“. Als motivierend empfindet sie, „dass wir gemeinsam überlegen, wie wir die strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen der Pfarre Neu regeln wollen“. Zum guten Klima trage bei, „dass es allen gemeinsam wichtig war, die anderen Gemeinden und sich selbst in ihrer Vielfalt wahrzunehmen und auch zu schätzen“, sagt Antonov. Die Vorteile sieht sie vor allem darin, „dass wir plötzlich in vielen Bereichen mehr Ressourcen sehen, dass wir über die eigene Kirchturmspitze hinaus blicken und erkennen, dass wir nicht allein sind, sondern das es da viel mehr gibt, als ,nur‘ die eigene Gemeinde."
Was sie sehr zuversichtlich stimmt, ist die Überzeugung, „dass wir auf einem guten Weg sind, dass wir selbst es in der Hand haben, wie wir unsere Zusammenarbeit entwickeln, und was wir aus dem machen, was wir in unseren Gemeinden an Schätzen haben – im direkten und im übertragenen Sinn des Wortes“. Sie setzt „große Hoffnung in unsere Zusammenarbeit, denn für mich zeigt sich darin eine Kirche, die so lebendig, so beweglich, so vielfältig und so offen ist, wie ich es mir von einer christlichen Gemeinschaft erwarte.“
Stefan Kronthaler