23. Jänner 1974: Mit einem Beharrungsbeschluss ebnet die SPÖ den Weg für die Einführung der Fristenregelung. Als im November 1973 die Fristenregelung mit den Stimmen der SPÖ beschlossen wurde, nahm der Nationalrat auch einstimmig einen Antrag an, der „positive Maßnahmen zum Schutz des werdenden Lebens“ in Aussicht stellt: Unter anderem soll es eine bessere Sexualerziehung in den Schulen geben, die Schwangerenberatungsstellen sollen ausgebaut werden, die Geburtenhilfe soll erhöht und moderne Sozialhilfegesetze für werdende Mütter erlassen werden. Bundeskanzler Bruno Kreisky hofft, damit alles tun, um „den ganzen Paragrafen obsolet zu machen (...), um die Frau zu veranlassen, dass sie dann, wenn sie empfangen hat, das Kind behält“. Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Anneliese Albrecht zeigt sich überzeugt davon, dass sich Frauen „aufgrund der Positivmaßnahmen weit eher für ein Kind entscheiden werden, als das bis jetzt der Fall ist“. Der damalige Justizminister Christian Broda betont gar: „Es ist ein Ziel unserer Anstrengungen, die Zahl der Abtreibungen in diesem Land zu senken. Das Bündel der flankierenden Maßnahmen unterstützt das Leitmotiv dieses Antrages wirksam und lässt glaubwürdig werden, dass es uns in erster Linie um die Senkungen der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche geht.“ Die Fristenregelung im Verein mit den flankierenden Maßnahmen also als Mittel zur Vermeidung von Abtreibungen, als Maßnahme zum Schutz des ungeborenen Lebens?
Tatsache ist: Heute, 40 Jahre nach dem endgültigen Beschluss für die Fristenregelung, wartet Österreich immer noch auf die Umsetzung der damals vielgepriesenen „flankierenden Maßnahmen“. Die einzige, die umgesetzt wurde, war der Ausbau der Familienberatungsstellen – zu wenige legen allerdings den Schwerpunkt auf die Schwangerenberatung. „Schwangere Frauen in Not werden oft mit ihren Problemen allein gelassen“, kritisiert Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich. Entscheide sich heute eine Frau für einen Schwangerschaftsabbruch wird sie beim Arzt über die medizinischen Methoden informiert. Eine Bedenkzeit zwischen medizinischer Beratung und dem eigentlichen Termin des „Eingriffs“ – wie es etwa im Bereich der ästhetischen Chirurgie sehr wohl gesetzlich vorgeschrieben ist – gibt es nicht. Vor allem aber fehle ein Hinweis darauf, dass es Beratungsstellen, wie etwa die der aktion leben oder der Familien-, Rechts- und Schwangerenberatungsstelle der St. Elisabeth Stiftung der Erzdiözese Wien, gibt, die schwangeren Frauen in Not mit Rat und Tat zur Seiten stehen und auch darüber informieren, wie das Leben mit einem Kind auch in einer schwierigen Situation gelingen kann.
Woran es in Österreich 40 Jahre nach Beschluss der Fristenregelung aber am Deutlichsten mangelt, ist der konkrete politische Wille aller Parteien, Schwangerschaftsabbrüche möglichst zu vermeiden, kritisiert Martina Kronthaler: „Es gibt kein klares Bekenntnis dazu, dass es gut ist, wenn es möglichst wenig Schwangerschaftsabbrüche gibt. Und es gibt keine Kultur des ,Darüber-Redens.Wer heute über Abtreibung und Fristenregelung spricht, läuft immer noch Gefahr als „reaktionär“ und „frauenfeindlich“ ins Eck gestellt zu werden. Ein echter Fehlschluss, ist Martina Kronthaler überzeugt: Über Abtreibungen bzw. deren Vermeidung zu sprechen, bedeute ja nicht, Frauen zu verurteilen und es bedeute auch keinen Angriff auf die Fristenregelung: „Es geht nicht um Schuldzuweisung oder Verurteilung. Wenn man ganz grundsätzlich sagt, was bei einer Abtreibung passiert, sagt man ja nichts gegen die Frau, die diesen Schritt setzt. Was wir wollen, ist Verständnis für die Frau, aber auch für das ungeborene Kind. Es ist nun einmal so, dass es bei einem Schwangerschaftsabbruch nicht nur um eine Person geht. “
Was sich die Expertin deshalb wünscht, ist die statistische Erfassung der Zahl der Abtreibungen und eine anonymisierte Motiven-Erforschung: „Wir wissen weder wie viele Abbrüche es pro Jahr in unserem Land gibt, noch welche Gründe Frauen heute dazu bewegen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen“, betont Martina Kronthaler. Dabei wäre gerade das Wissen um diese Motive so wichtig, um „tatsächlich alles aus dem Weg räumen zu können, was Frauen heute daran hindert, ein Kind zur Welt zu bringen.“ Aus anderen europäischen Ländern kenne man solche Statistiken sehr wohl.
„Keine Frau wünscht sich einen Schwangerschaftsabbruch.“, weiß Martina Kronthaler aus unzähligen Beratungsgesprächen: „40 Jahre nach dem Beharrungsbeschluss für die Fristenregelung ist es endlich an der Zeit, die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass jede Frau, jede Familie mit Kindern gut leben kann. Und es ist jede Anstrengung wert, Frauen Situationen zu ersparen, in denen die Abtreibung als einzig gangbarer Weg gesehen wird. Da ist die Politik gefragt.“
Andrea Harringer