Samstag 11. Januar 2025
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Lesen contra Armut

(20.11.2011) Armutsforscher Clemens Sedmak: Die Armut von Kindern hat viele Gesichter

„Armut macht krank, wird vererbt und ist weiblich. Die armen Kinder von heute werden die armen Erwachsenen von morgen“, sagte Univ.-Prof. Clemens Sedmak vom „Zentrum für Ethik und Armutsforschung“ der Universität Salzburg bei einer Podiumsdiskussion des Vereins „Lobby für Kinder“ am 10. November in Wien.

 

Thema des Abends: „Neue Armut? Strukturelle Probleme im Umfeld heutiger Kinder.“

 

Sedmak nannte vier Faktoren für das Kinderglück:

  • Wohnraum (wo das Kind eigene Ecken oder ein Kinderzimmer hat),
  • Freundschaften (die ein Kind pflegen kann),
  • Humor (wenn zu Hause auch gelacht wird)
  • und Mitsprachemöglichkeiten.

 

Nach einem Wort des polnischen Arztes,  Schriftstellers und Pädagogen Janusz Korczak hätten Kinder „ein Recht auf den heutigen Tag“, sagt Sedmak. „Kinder haben das Recht, Kind zu sein, und sie haben das Recht, Erwachsenen zu begegnen“, unterstrich Sedmak.

 

Konkret heiße dies, dass Kinder Erwachsene erleben, die Verantwortung übernehmen und tragen.

 

Im Hinblick auf die Armutsthematik wies Sedmak auf vier Dimensionen der Armut hin.

  • „Armut stumpft ab, hier herrscht eine resignative Grundhaltung“, unterstrich der Salzburger Armutsforscher:
  • „Armut ist unsichtbar und wird unsichtbar gemacht.“
  • Armut mache „unerwünscht“ in der Gesellschaft
  • und Armut bringe eine – studienüberprüfte – gehäufte „Unfallanfälligkeit“.

 

Eine „Schande“

Armut sei heutzutage „eine Schande“, betonte Sedmak. In einem „Wörterbuch“ der Armut skizzierte der Armutsforscher sieben Tendenzen.

  • Armut habe mit der Einstellung zu möglichen Spielräumen zu tun – Arme haben weniger Spielraum.
  • Armut mache verwundbar (arme Menschen könnten sich Autoreparaturen oder neue Zähne nicht leisten).
  • Armut „macht müde“, so Sedmak, „dies drückt auf die Emotionalität“.
  • Armut habe mit dem Matilda-Effekt (die zweite Hälfte des Zitats aus dem Matthäus-Evangelium: „ ... wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden“) zu tun.  Der Matilda-Effekt sei die Kehrseite des Matthäus-Effekts („Wer hat, dem wird gegeben...), der die selbstverstärkte Akkumulation von Ansehen beschreibe.

 

Sedmak: „Wenn mehr Spielraum im übertragenen Sinn, dann mehr Chancen, dann mehr Selbstbewusstsein.“

  • Arme würden zudem finanziell „kompensieren“, auch wenn sie es sich  nicht leisten könnten. 
  • Ein weiteres Kennzeichen sei die zunehmende „Prekarisierung“ (wenig Sicherheit, pychische Belastung).  Zudem komme die „digitale Spaltung“ (Internetzugang für die einen, keiner für die anderen).


Sedmak: „Der Ausstieg aus der Armutsspirale wird entscheidend durch Lesen gefördert, für das wiederum Vor-Lesen die Grundlagen legt.“


Zeit für die Kinder

Kinder seien besonders davon betroffen, dass in sozial schwachen Familien zwar die (arbeitslosen) Eltern zuhause sind, aber „neben den Kindern herleben“ statt sich in Interaktion und kulturellem Engagement um sie zu kümmern, betonte Kurt Bangert, der für die „World Vision“ - Kinderstudie verantwortlich zeichnet, die bereits zum zweiten Mal die konkrete Situation der Kinder im deutschsprachigen Raum untersucht.

 

Hingegen zeige sich bei Eltern, die beide arbeiten, oder bei alleinerziehenden Elternteilen, dass quantitativ wenig Zeit durchaus mit qualitativ hochwertig für Kinder aufgewendeter Zeit in den verbleibenden Tagesteilen abgefedert werden könne – wenn Eltern dazu bereit sind. Und: Es gebe immer wieder Beispiele, dass es auch arme Kinder „schaffen“.

 

Bangert: „Armut muss nicht dazu führen, dass Kinder nicht aus der Armutsfalle herauskommen können.“     

Kron

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